Symphonie Nr. 26 d-Moll
»Lamentatione«
(1768)
Zeitgenössisches Gesangsbuch mit den Passions-Melodien.
Allegro assai con spirito Adagio Menuett. Trio
Von dieser stilistisch heiklen, nur dreisätzigen Symphonie gibt es eine exzellente Aufnahme mit dem Wiener Kammerorchester unter Anton Heiller, der vor allem für den ersten Satz ein kraftvoll pulsierendes Tempo wählt und den expressiven Gehalt der Musik theatralisch auskostet.
In den ersten beiden Sätzen finden sich ja - die titelgebenden - liturgischen Choralmelodien, die bei den Lamentationen in der Karwoche zu Texten aus dem Markusevangelium gesungen wurden. Allerdings erklingen sie nicht als substanzgebendes Themenmaterial, sondern sind als Zitate in die Musik verwoben. Und zwar so dezent, daß es zumindest für spätere Generationen unmöglich wurde, sie zu dechiffrieren.
Daß die Musik ursprünglich für den liturgischen Gebrauch verwendet wurde, ist zumindest naheliegend, wenn auch nicht gesichert. Der große Haydn Forscher H. C. Robbins Landon war jedenfalls überzeugt, daß der Bezug zum Passions-Geschehen für Haydns Zeitgenossen offenkundig gewesen sein muß und daß die heftigen Gesten und Akzente inmitten des ersten Satzes in direktem Konnex mit den »Kreuzige«-Rufen der aufgewühlten Menschenmenge stehen.
Zitate des gregorianischen »Incipit Lamentatio«, der im Adagio zu hören ist, fand Robbins Landon auch in den Symphonien Nr. 45 und 80, und in einem frühen Bläser-Divertimento Haydns.
Komponiert wurde die Symphonie Nr. 26 vermutlich in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft zur komischen Oper Der Apotheker.