Kultur-Chronist Charles Burney urteilte über diese frühe Phase in Domenico Scarlattis Schaffen:
Those acquainted with the original and happy freaks of this composer in his harpsichord pieces, would be surprised at the sobriety and almost dulness of his songs.
His genius was not yet expanded.
Immerhin hat sich aus der Zeit, in der Scarlatti als Kapellmeister im Vatikan tätig war, ein zehnstimmiges Stabat mater erhalten, das von enormer Ausdruckskraft ist.
Dennoch ist nicht zu leugnen, daß die musikhistorische Bedeutung dieses Komponisten in seiner Tätigkeit als Klavierlehrer der portugiesischen Infantin Maria Barbara liegt: Für sie verfaßte er eine große Zahl von Übungsstücken, die die Basis für sein Sonaten-Schaffen bilden.
Mit dem Hofstaat Maria Barbaras übersiedelte Scarlatti nach deren Hochzeit mit dem Infanten von Spanien - und verbrachte den Rest seines Lebens als Hofmusiker der nachmaligen Königin vorwiegend in Madrid und Sevilla.
Ein Mann von feiner, kultivierter Lebensart, lauschte der Italiener auch der spanischen Volksmusik und ließ viel davon in seine Musik einfließen.
Sein überragender Rang als Cembalist stand bereits in seiner Zeit in Rom fest. Georg Friedrich Händel überließ er gern den Rang des besten Organisten der Welt. Am Cembalo war er dem deutschen Konkurrenten mindestens ebenbürtig, wenn nicht überlegen, so urteilten bereits die Zeitgenossen. Was er seinem Instrument an klanglichen Möglichkeiten entlocken konnte, spiegeln für die Nachgeborenen die mehr als 500 einsätzigen Sonaten wider, die ein Kompendium der barocken »Klaviertechnik« darstellen und nachvollziehen lassen, daß Scarlatti seinen Hörern als Spieler vielschichtige Ausdrucksebenen erschließen konnte.
Die Sonaten
Über die erste Sammlung von Stücken, die in Druck erschienen, schrieb Scarlatti selbst, sie enthielen weniger »tiefe Gelehrsamkeit als vergnügliche Kunstfertigkeit«, aber auch, daß er ganz bewußt mit den »Kompositionsregeln« gebrochen habe - was vielleicht andeuten mag, daß die Zeitgenossen in seinen Werken höchst mutige, ungewöhnliche harmonische Fortschreitungen finden konnten. Formal leistet sich der Komponist hingegen keine Experimente. Die Sonaten sind allesamt einsätzige Stücke in zweiteiliger Form. Sie zählen zu den Vorbildern der späteren Sonatensatz-Form, modulieren in der Regel gegen die Mitte zu in die Dominante um im zweiten Teil wieder zur Grundtonart zurückzukehren.Späte Blüte
Im übrigen entstanden die meisten der Sonaten in Scarlattis späten Jahren. Wie später Rameau oder Joseph Haydn waren sie Frucht eines weisen, gereiften Alters.Aufgewachsen war Domenico Scarlatti ja im Hause eines der erfolgreichsten Opernkomponisten seiner Zeit, der dafür sorgte, daß sein Sprößling eine gediegene handwerkliche Ausbildung erhielt. Daß er später bewußt Regeln brach, setzte voraus, daß er diese Regeln aus dem Effeff beherrschte!
Für Scarlattis Instrumentalstil blieben dann die Meister Corelli und - von den Älteren - Frescobaldi stilbildend. Auch der absolute Modekomponist der Zeit, Antonio Vivaldi, hinterließ naturgemäß Spuren. Nach einer Zeit als Hofkomponist der exilierten Königin Maria Casimira von Polen, in der er Oratorien und Opern schrieb, war der jüngere Scarlatti fünf Jahre lang im Vatikan angestellt, wurde also zum Kirchenkomponisten. In jener Phase entstand das imposante Stabat Mater.
In Lissabon wurde Scarlatti zum Hofkomponisten. Aus dieser Zeit ist vieles verloren gegangen (darunter unter anderem eine Oper nach Shakespeares Hamlet!)
Scarlattis Nachruhm beruht jedoch auf seinen Klaviersonaten.