Pieces de Clavecin
Jean-Philippe Rameau (1683 - 1764)
Vier Bücher mit Cembalowerken hat Jean-Philippe Rameau veröffentlich. Die Stücke gehören dank ihrer technischen Ansprüche und ihrem inhaltlichen Reichtum zu den großen Herausforderungen für Cembalisten.
»Le Premier Livre de Pieces de Clavecin« erschien 1706, es folgten weitere Serien mit den »Pieces de Clavessin« von 1724, den »Nouvelles Suites de Pieces de Clavecin«a von 1728 sowie eine späte Sammlung, 1741 und ein Nachzügler-Stück, La Dauphine, 1747.
Der Opernmeister am Klavier
Der Komponist gilt seit der Landnahme der Originalklang-Bewegung als → einer der großen Opernmeister des Barock. Damit würdigt die Musikwelt einen - für die damalige Zeit - betagten Meister: Rameau war über 50 Jahre alt, als seine Musiktheater-Karriere begann. Die Stücke für Tasteninstrumente, die er zuvor publiziert hatte, gehören der frühen Phase seines Schaffens an; auch diesfalls war Rameau einer der führenden Köpfe seiner Zeit.
Ausgehend von den Vorbildern der Clavecinisten um D'Anglebert und Couperin entwickelte Rameau einen ungemein fortschrittlichen »Klavierstil«, der viele Vorzüge der älteren Meister mit modernsten Techniken verbindet - so stehen Rameaus Werke auf Augenhöhe mit Domenico Scarlattis Sonaten-Schaffen.
Von den Genre-Stücken der Vorbilder übernahm Rameau die bildhafte Tonsprache mit ihren illustrativen KLängen, vom Vogelgezwitscher (Le rappel des oiseaux) bis zum Portrait einer hinkenden Frau (La boiteuse). Dazu Tanz-Sätze von hinreißendem Schwung in den raschen Tempi und höchster Ausdruckskraft in den Sarabanden.
Rameaus dramatisches Talent enthüllt sich auch in den Clavecin-Stücken, die nicht selten zu packenden Szenen werden und die Fantasie von Interpreten wie Hörern herausfordern, von der Dämonie der Cyclopes und der melancholischen Sensibilität der Soupirs bis zur Poesie des Entretien des Muses.
Aufnahmen
Der früheste namhafte Beitrag zur Aufnahmegeschichte dieser Stücke datiert schon aus den Dreißigerjahren:
Die große Wanda Landowska nahm eine Reihe der Pièces für HMV auf und nutzt den machtvollen Ton ihres Instruments vor allem in den theatralischen Stücken zu eminenter Wirkung.
In den frühen Jahren der Originalklang-Bewegung ging Trevor Pinnock ins Studio, um alle der mehr als vier Dutzend Piècen aufzunehmen. Sein Verdienst ist es gewiß, die lyrischen Qualitäten der Musik herausgearbeitet zu haben.
Von seinen Nachfolgern - vor allem von Christophe Rousset (Decca, 1989) - wird Pinnock (Label: CRC) in Sachen rhythmischer Prägnanz und tänzerischem Schwung ein wenig ausgebremst. Eine Einzel-CD, ein Vierteljahrhundert nach der Gesamtaufnahme entstanden - läßt Pinnock quasi im zweiten Rameau-Frühling hören: Die Zyklopen erfreuen sich höchster Klang-Pracht. (Avie)
Mittlerweile wagen sich auch Pianisten wieder über dieses Repertoire. Eine Pioniertat war Angela Hewitts feinnervige, wenn auch vielleicht allzu wenig dramatische Aufnahme einiger Stücke 2006 (hyperion), am meisten Beachtung fanden die Live-Auftritte von Grigorij Sokolow, der hie und da volle Programmhälften mit Clevecin-Musik füllte und entsprechend auf CD dokumentieren ließ, immer originell, oft kräftig gegen den Strich gebürstet, gelangen ihm da Lebensbeweise einer barocken Gattung der Musik für Tasteninsrumente.