Jean-Philippe Rameau
(1683 - 1764)
Rameau kam 1683 in Dijon zur Welt. Der Vater war Organist, die Mutter Tochter eines Advokaten. Von den elf Kindern der Familie haben nur vier das Kindesalter überlebt. Jean-Philippe erhielt seinen ersten Musikunterricht vom Papa und studierte am Jesuiten-Colleg von Dijon, wo er von Kindesbeinen an sang - nicht nur im Chor, sondern auch anläßlich der Schul-Produktionen auf der Musiktheaterbühne. Seine Opernleidenschaft, so bekante er später, hatte im Alter von zwölf Jahren begonnen.
In Wahrheit war er schon damals ausschließlich an Musik interessiert und vernachläßigte alle anderen Fächer sträflich. Als er von der Schule abgehen mußte, hatte er weder richtig schreiben gelernt, noch hatte er sich gründlichere Rechenkünste angeeignet. Doch zwang ihn die Liebe, seine Manieren zu polieren: Mit 17 verehrte er eine junge Dame, die seine unzulängliche Spache tadelte. Also beschloß Rameau, sich zu »bessern«.
Im Jahr darauf trat er eine Reise nach Italien an, wo damals jeder Musiker, der etwas auf sich hielt, gewesen sein mußte. Doch er kam nicht weiter als bis Mailand - was er später sehr bedauert hat. Zurück in Frankreich, verdingte sich die ungewöhnliche Gestalt - baumlang, spindeldürr und von scharf gezeichneten Zügen - als Musiker bei einer Wandertruppe, die durch die Provence und das Languedoc zog. Die Quellenlage ist dürftig, wir wissen nicht viel mehr über Rameaus Jugendjahre als daß er bald als Organist von einer Kirche zur nächsten wechselte. In Avignon, Clermont, Dijon und Lyon sind seine Aufenthalte verbürgt. Lange hat es ihn nirgendwo gehalten.
1715 beschloß er allerdings, endlich seßhaft zu werden und unterzeichnete anläßlich seines zweiten Aufenthalts in Clermont einen Vertrag, der ihn für 29 Jahre an die Kirche band.
Acht Jahre hielt es ihn dann tatsächlich dort, eine für ihn bis dahin ungeahnt lange Zeitspanne. Danach wollte man ihn nicht ziehen lassen. Die Anekdote berichtet, Rameau hätte daraufhin sein Spiel während des Fronleichnams-Hochamts derart mit Dissonanzen »gewürzt«, daß man ihn beinah verjagte.
Jedenfalls kam er nach Paris, wo er den Rest seines Lebens verbringen und zu einem der führenden Komponisten Europas werden sollte.
Mit 42 heiratete Rameau die Neunzehnjährige Sängerin und Cembalistin Marie-Louise Mangot,
die ihm vier Kinder gebar und später auch in einigen seiner Opern auftrat.
Aßer einigen Kantaten und Motetten hatte Rameau bis dahin lediglich das Erste Buch seiner Cembalostücke (1706) veröffentlicht. Ihnen folgten drei weitere Sammlungen, die ihn berühmt machten. Erst als er über 50 war, wandte sich Rameau der Oper zu, die doch seine eigentliche Bestimmung zu sein schien. Anders als die Klavierwerke verschwanden die einstmals so viel beachteten Musiktheater-Kompositionen von den Bühnen, um erst im Zuge der Originalklang-Bewegung der Ära um das Jahr 2000 wieder ins Bewußtsein der Musikwelt zurückzufinden.
Für die Nachwelt noch bedeutender blieb Rameaus theoretische Schrift,
Traité de l’harmonie reduite à sesprincipes naturels,
die Grundlage jeder Harmonielehre für die folgenden Jahrhunderte! Die eben erst sich etablierende Dur-Moll-Tonalität hatte in Rameau ihren ersten und fundamentalen Theoretiker gefunden.
Hippolyte et Aricie war die erste Meisterleistung Rameaus für das Operntheater. 1745 ernannten man ihn zum »Compositeur du Cabinet du Roi « Bis zu seinem siebzigsten Lebensjahr schrieb er an die 20 Opern und Ballette.
Er starb hochbetagt als reicher Mann. Der Umwelt galt er als geizig, doch hatte er sich Kollegen gegenüber als ebenso großzügig erwiesen wie er gegen seine Familienmitglieder war. Er selbst besaß bei seinem Tod freilich nur ein einziges Paar Schuhe - dafür aber auch einen prall mit Goldmünzen gefüllten Sack.
Aufnahmen
Rameaus enormes Oevre ist weit davon entfernt, für die Nachwelt wirklich erschlossen zu sein. Von etlichen Werken gibt es keine geeigneten Ausgaben. Interessanterweise haben selbst Originalklang-Pioniere wie Nikolaus Harnoncourt oder Frans Brüggen bei ihren Rameau-Aufanhmen auf Editionen zurückgegriffen, die in dem Jahren nach 1900 unter der Schrimherrschaft von Canille Saint-Saens unter dem Titel Oevres completes gedruckt wurden. Ganz im Stil der Zeit und jedenfalls in bester Absicht, wirkten damals Meister wie Paul Dukas oder Vincent d'Indy mit, um beispielsweise die großen Ouvertüren neu zu instrumentieren.
Etliche von Rameaus Musiktheater-Werken harren noch ihrer Ersteinspielung. Und ein grandioses Werk wie die letzte Oper, »Des Boréades«, kam überhaupt erst mit 218-jähriger Verstpütung auf die Bühne: 1764 arbeitete man an der der Pariser Opéra fieberhaft an den Vorbereitungen fpr die Uraufführung. Doch nach Rameaus Tod nahm man die Produktion vom Spielplan, ehe sie auch nur einmal gezeigt worden wäre. Es dauerte bis zum Jahr 1982, als John Eliot Gardiner in Aix-en-Provence seine eigens dafür erstellte Ausgabe der Partitur zu realisieren. Mit seinen English Baroque Soloists und dem ungemein geschmeidigen, vielseitigen Monteverdi-Chor gelang ihm eine Ehrenrettung eines Meisterwerk; und so etwas wie die Initialzündung zu einer Rameau-Renaissance, in deren So etliche exzellente CD-Produktionen und auch szenische Wiederbelebungsversuche zu verzeichnen waren. Allein, was die Boreaden betrifft, konnten Ensemble-Leiter wie Emmanuele Haim (Erato) oder William Christie (Opus Arte) mit viel beachteten Produktionen an Gardiners Pioniertat anknüpfen.
In der Folge konnten selbst Werke rehabilitiert werden, die zu Rameaus Zeiten als Mißerfolge galten. Les Paladines etwa, seinerzeit nach ein paar Aufführungen vom Spielplan abgesetzt, entpuppte sich in der lebhaften Interpretation durch william Christie mit seinen Arts Florissents im Pariser Chatelet mit brillanten solisten wie Topi Lehtipuu, Stéphanie d’Oustrac, Laurent Naouri und Sandrine Piau als hinreißende Komödie, die für DVD aufgezeichnet wurde. (Opus Arte)