Sonaten und Partiten

Sechs Werke für Violine solo

Bachs eigenhändiger Titel

Sei Solo schrieb Bach über das Manuskript der drei Sonaten und drei Partiten, die er zu einer Sechsergruppe vereinigte wie etliche seiner Klavierwerke - doch die Stücke für Violine allein haben den Kommentatoren über die Jahrhunderte hin besonders schwierige Rätsel aufgegeben. Konnte es sein, daß solche Suiten und Sonaten tatsächlich von einem Geiger allein gespielt werden sollte ohne stützende harmonische Begleitung durch Orgel oder Cembalo?

Schon Bachs Schüler Agricola berichtet ein Vierteljahrhundert nach des Komponisten Tod, Bach selbst hätte diese Musik am Clavichord gespielt haben soll -
und fügte von Harmonie so viel dazu bey, als er für nöthig befand.


In späteren Jahren mangelte es nicht an Versuchen, die Violinstimme durch eine Klavierstimme zu ergänzen - der prominenteste davon stammte immerhin von Robert Schumann.

Das Unmögliche wird möglich

Und doch: Bach muß es gereizt haben, seine unerhörte Kunst polyphoner Setzweise auf ein grundsätzlich melodisches und meist einstimmig gebrauchtes Instrument zu übertragen. Tatsächlich enthalten die drei Sonaten jeweils einen Fugen-Satz, in dem die Paradoxie des mehrstimmigen Spiels auf einem Saiteninstruments auf die Spitze getrieben wird. Und die große d-Moll-Partita schließt mit der berühmten Chaconne, die ebenfalls die Gesetze der virtuosen Schwerkraft zu negieren scheint und das Ausmaß einer komplexen musikalischen Architektur, errichtet über den vier Violinsaiten, auf eine einsame Spitze treibt. Schon Bachs erster Biograph, Spitta, schwärmte:
entzückend, begeisternd, zugleich schwindelerregend und sinnverwirrend. Der überfluthende Gestalten-Reichthum, aus wenigen kaum bemerkbaren Quellen sich ergießend, verräth sowohl die genaueste Kenntniß der Violintechnik als die absoluteste Herrschaft über eine Phantasie, wie sie colossaler wohl niemals ein Künstler besessen hat.

Die Ratlosigkeit der Nachgeborenen

Allein diese Chaconne, der berühmteste Teil der Werkgruppe, wurde auf vielfältige Weise bearbeitet und auch für vollgriffige Klavierklänge genutzt. Bewiesen konnte damit nur werden, wie hoch wir die Kunstfertigkeit dieses Komponisten anzusetzen haben.

Vorbilder

Daß eine Cembalostimme zu diesen sechs Stücken »verloren gegangen« sein könnte, wie mache Kommentatoren gedacht hatten, ist auszuschließen. War eine solche Sammlung von Violin-Solowerken doch kein Unikum in der Geschichte. Johann Paul Westhoff, den Bach als Kammermusicus und Kammersecretär am Hof Herzogs Wilhelm Ernst IV. in Weimar als Kollegen kennen und schätzen lernte, hatte schon Ende des XVII. Jahrhunderts solche Kompositionen veröffentlicht. Bach muß sie gekannt haben, denn Aufsehen gemacht haben sie in jener Zeit jedenfalls.

Sonate I    g-Moll BWV 1001

Partita I  h-Moll BWV 1002

Sonate II a-Moll BWV 1003

Partita II d-Moll BWV 1004

Sonate III  C-Dur BWV 1005

Partita III E-Dur BWV 1006




↑DA CAPO