Ganz enthusiasmiert
Carlos Kleiber und die Philharmoniker
7. Oktober 1991
Carlos Kleiber hat bisher nur drei Abonnementkonzerte der Wiener Philharmoniker dirigiert. Das ist nicht viel. Und immer wollte man danach mehr - und anderes - von Kleiber und diesem Orchester hören.
Jetzt ist der Maestro für ein Benefizkonzert zurückgekehrt und hat akkurat dasselbe Programm gewählt wie für seinen letzten philharmonischen Auftritt.
Alle, die sich darüber gewundert haben mögen, wußten nach dem Schlußakkord der Zweiten Brahms: Es mußte so sein.
Kleibers Darstellung von Mozarts »Linzer«-Symphonie und jene des Brahms'schen Wörtherseezaubers sind auf schier unglaubliche Weise gereift. Was damals faszinierend, aber nicht immer schlüssig klang, löste sich jetzt - ich bin versucht zu sagen: beinahe in Luft auf.
Vor allem bei Brahms war Schwerelosigkeit, Duftigkeit Trumpf. Selbst die eruptiven, kraftvollen Steigerungen im Finalsatz kamen leicht und transparent daher.
Ein Sommermorgentraum.
Es ist erklärbar, wie dieser sich ereignen konnte: Die Philharmoniker gehen bei Kleiber mit den allerbesten Vorsätzen aufs Podium, gewillt, das einhunderterste Prozent ihrer Energien für ihn freizuschlagen.
So war's zuletzt bei Böhm, so war es bei Karajan.
So ist es sonst bei kaum jemandem.
Nur so aber sind überdimensionale musikalische Leistungen überhaupt denkbar.
Zweitens verlangt der hochsensible Künstler, bei dem man das Gefühl nicht loswird, der Dirigentenstab sei die naturgegebene Fortsetzung seiner Nervenenden, ein Äußerstes an Konzentration und Energieballung auch, ja gerade bei den leisesten, den unscheinbarsten Passagen. Und auf die kommt es an: hauchzarte Übergänge zwischen Ereignissen, die gerade noch nicht zu Ende sind, und solchen, die gerade schon begonnen haben; oder der organische Fluß eines Tempos, das von unmerklichen und sogar von ganz bewußt merklichen Modifikationen nicht außer Kraft, sondern erst in sein Recht gesetzt wird.
Dann auch: Die feinsinnige Ziselierung der Einzelstimmen im Hinblick auf die kompositorische Struktur, etwa im Menuett-Trio der Mozart-Symphonie: Plötzlich führt eine Fagottstimme, wo sonst nur Geigen hörbar sind - und erst damit enthüllt der abschließende Dialog der Holzbläser seine ganze Sinnhaftigkeit.
Technische Details, gewiß. Aber erst auf solchen rationalen Grundlagen, die in solcher Perfektion im durchschnittlichen Konzert, auch im durchschnittlichen Philharmonischen fehlen, entfaltet sich die Irrationalität eines Ereignisses, wie es am Sonntag vormittag im Musikverein zu erleben war; und wie es in seiner Ganzheit nicht beschreibbar ist.
Kleiber selbst strahlte zuletzt über die Ovationen, die ihm das Publikum bereitete, als das Orchester längst vom Podium abgegangen war. Gerührt sei er, bedeuteten seine Gesten den Verehrern.
Das, ganz ohne irrationale Ahnungen darf man's prophezeien, könnte er öfter erleben.
Wenn er nur wollte.
Jetzt ist der Maestro für ein Benefizkonzert zurückgekehrt und hat akkurat dasselbe Programm gewählt wie für seinen letzten philharmonischen Auftritt.
Alle, die sich darüber gewundert haben mögen, wußten nach dem Schlußakkord der Zweiten Brahms: Es mußte so sein.
Kleibers Darstellung von Mozarts »Linzer«-Symphonie und jene des Brahms'schen Wörtherseezaubers sind auf schier unglaubliche Weise gereift. Was damals faszinierend, aber nicht immer schlüssig klang, löste sich jetzt - ich bin versucht zu sagen: beinahe in Luft auf.
Vor allem bei Brahms war Schwerelosigkeit, Duftigkeit Trumpf. Selbst die eruptiven, kraftvollen Steigerungen im Finalsatz kamen leicht und transparent daher.
Ein Sommermorgentraum.
Es ist erklärbar, wie dieser sich ereignen konnte: Die Philharmoniker gehen bei Kleiber mit den allerbesten Vorsätzen aufs Podium, gewillt, das einhunderterste Prozent ihrer Energien für ihn freizuschlagen.
So war's zuletzt bei Böhm, so war es bei Karajan.
So ist es sonst bei kaum jemandem.
Nur so aber sind überdimensionale musikalische Leistungen überhaupt denkbar.
Zweitens verlangt der hochsensible Künstler, bei dem man das Gefühl nicht loswird, der Dirigentenstab sei die naturgegebene Fortsetzung seiner Nervenenden, ein Äußerstes an Konzentration und Energieballung auch, ja gerade bei den leisesten, den unscheinbarsten Passagen. Und auf die kommt es an: hauchzarte Übergänge zwischen Ereignissen, die gerade noch nicht zu Ende sind, und solchen, die gerade schon begonnen haben; oder der organische Fluß eines Tempos, das von unmerklichen und sogar von ganz bewußt merklichen Modifikationen nicht außer Kraft, sondern erst in sein Recht gesetzt wird.
Dann auch: Die feinsinnige Ziselierung der Einzelstimmen im Hinblick auf die kompositorische Struktur, etwa im Menuett-Trio der Mozart-Symphonie: Plötzlich führt eine Fagottstimme, wo sonst nur Geigen hörbar sind - und erst damit enthüllt der abschließende Dialog der Holzbläser seine ganze Sinnhaftigkeit.
Technische Details, gewiß. Aber erst auf solchen rationalen Grundlagen, die in solcher Perfektion im durchschnittlichen Konzert, auch im durchschnittlichen Philharmonischen fehlen, entfaltet sich die Irrationalität eines Ereignisses, wie es am Sonntag vormittag im Musikverein zu erleben war; und wie es in seiner Ganzheit nicht beschreibbar ist.
Kleiber selbst strahlte zuletzt über die Ovationen, die ihm das Publikum bereitete, als das Orchester längst vom Podium abgegangen war. Gerührt sei er, bedeuteten seine Gesten den Verehrern.
Das, ganz ohne irrationale Ahnungen darf man's prophezeien, könnte er öfter erleben.
Wenn er nur wollte.