Reinhard Keiser
1674 - 1739
Der führende deutsche Opernmeister des Hochbarock.
Johann Adolph Scheibe kommentierte die Kunst seines Komponisten-Kollegen mit den Worten:
Keisern seine Sätze sind galant, verliebt, und zeigen alle Leidenschaften, deren Gewalt das menschliche Herz am meisten unterworfen ist. Ungeachtet der ungemeinen Menge seiner praktischen Arbeiten hat er sich doch niemals wiederholet. Er hat allemal singbar, natürlich, ausdrückend und neu geschrieben. Die große Anzahl von Opern und übrigen großen Singstücke wird auch so leicht kein Komponist erreichen; denn es sind nur allein der ersteren weit über hundert aus seiner Feder geflossen. Dennoch aber hat es seinen Erfindungen niemals an Feuer und Zärtlichkeit gemangelt.
Reinhard Keiser wuchs als Direktor und Kapellmeister der Hamburger Oper am Gänsemarkt zur internationalen Berühmtheit.
Ausgebildet worden war er von Johann Schelle an der Leipziger Thomasschule, von wo er nach Braunschweig kam, um seine erste Oper, Basilius in Arkadien, herauszubringen. Ab 1694 war er als Nachfolger Simund Kussers Hofkapellmeister in Braunschweig.
Zwei Jahrzehntelang dominierten dann ab 1697 in Hamburg seine Werke den Spielplan. Er war 29 Jahre alt, als er das Amt im Theater am Gänsemarkt antrat.
Seine Werke wurden in der Regel deutsch gesungen, doch beließen die Librettisten manche Arien-Texte bei aus Italien übernommenen Texten in der Originalsprache.
Stilistisch orientierte sich Keiser nicht nur an der italienischen Oper, sondern integrierte nach dem Vorbild von Lullys Pariser Tragedie Lyrique auch Chöre und Tänze in seine Handlungen. Für Matheson war Keiser in seiner Generation schlicht
der größeste Opern-Componist von der Welt
Als das unter seiner Führung europaweit gerühmte Hamburger Opernunternehmen 1718 zusammenbrach, verließ Keiser die Hansestadt, um vier Jahre danach im Triumph zurückzukehren - als Komponist. Den Kapellmeisterposten hatte dann schon Georg Philipp Telemann besetzt. Keiser war längst eine international anerkannte Größe, komponierte auch für den dänischen Königshof und wurde 1728 Kantor am Hamburger Dom. Damit widmete er sich für zehn Jahre vor allem der geistlichen Musik. Die Schließung des Hauses am Gänsemarkt (1738) hat er nicht einmal ein Jahr überlebt.
Telemanns Nachruf
Georg Philipp Telemann dichtete ein Sonett zum Gedenken an den berühmten Kollegen
Ihr, die in Deutschlands Raum die Tonkunst Kinder nennet,
lasst Keisers Untergang nicht fühllos aus der Acht!
Er hat um euren Ruhm sich sehr verdient gemacht,
und manchen Ehrenkranz den Welschen abgerennet.
Da seine Jugend noch in erster Glut gebrennet,
wie reich, wie neu, wie schön, wie ganz hat er gedacht!
Wie hat er den Gesang zum vollen Schmuck gebracht,
den dazumal die Welt noch ungestalt gekennet!
Zu diesem zog ihn bloß ein angeborner Trieb,
durch den er, ohne Zwang der Schulgesetze, schrieb;
durch den wir mehr von ihm, als hundert Werke, lesen.
Wir ehren dein Verdienst, du Züchtling der Natur,
der, suchtest du gleich nicht der Kunst verdeckte Spur,
dennoch der größte Geist zu seiner Zeit gewesen.
LISTE DER BÜHNENWERKE
Der königliche Schäfer oder Basilius in Arcadien (1693 Braunschweig)
Procris und Cephalus (1694 Braunschweig)
Die wiedergefundenen Verliebten [Die beständige und getreue Ismene] (1695 Braunschweig)
Mahumet II (1696 Hamburg)
Der geliebte Adonis (1697 Hamburg)
Die durch Wilhelm den Grossen in Britannien wieder eingeführte Treue (1698 Hamburg)
Aller-unterhäbigster Gehorsam (15.11.1698 Hamburg)
Der aus Hyperboreen nach Cymbrien überbrachte güldene Apfel zu Ehren Friedrichs und Hedwig Sophiens zu Holstein (1698 Hamburg)
Der bey dem allgemeinen Welt-Friede und dem Grossen Augustus geschlossene Tempel des Janus (1699 Hamburg)
Die wunderbahr-errettete Iphigenia (1699 Hamburg)
Die Verbindung des grossen Hercules mit der schönen Hebe (1699 Hamburg)
Die Wiederkehr der güldnen Zeit (1699 Lüneburg?)
Die beständige und getreue Ismene [rev. Die wiedergefundenen Verliebten] (1699 Hamburg)
La forza della virtù, oder Die Macht der Tugend (1700 Hamburg)
Der gedemüthigte Endymion [Phaeton] (1700 Hamburg)
Das höchstpreissliche Crönungsfest Ihrer Kgl. Majestät zu Preussen (1701 Hamburg)
Störtebecker und Jödge Michaels (1701 Hamburg)
Störtebecker und Jödge Michaels [rev] (1701 Hamburg)
Die wunderschöne Psyche (20.10.1701 Hamburg)
Circe oder Des Ulisses erster Theil (1702 Hamburg)
Penelope oder Des Ulisses ander Theil (1702 Hamburg)
Sieg der fruchtbaren Pomona (18.10.1702 Hamburg)
Die sterbende Euridice oder Orpheus erster Theil (1702 Hamburg)
Orpheus ander Theil (1702 Hamburg)
Neues preussiches Ballet (1702 Hamburg)
Die verdammte Staat-Sucht, oder Der verführte Claudius (1703 Hamburg)
Die Geburt der Minerva (1703 Hamburg)
Die über die Liebe triumphierende Weissheit oder Salomon (1703 Hamburg)
Der gestürzte und wieder erhöhte Nebucadnezar, König zu Babylon (1704 Hamburg)
Die römische Unruhe oder Die edelmüthige Octavia (5.8.1705 Hamburg)
Die kleinmüthige Selbstmörderinn Lucretia oder Die Staats-Thorheit des Brutus (29.11.1705 Hamburg)
La fedeltà coronata oder Die gekrönte Treue (1706 Hamburg)
Masagniello furioso, Die Neapolitanische Fischer-Empörung (6.1706 Hamburg)
La costanza sforzata, Die gezwungene Beständigkeit oder Die listige Rache des Sueno (11.10.1706 Hamburg)
Il genio d'Holsatia (1706 Hamburg)
Der durchlauchtige Secretarius, oder Almira, Königin von Castilien (1706 Hamburg)
Der angenehme Betrug oder Der Carneval von Venedig (1707 Hamburg) [+ Graupner]
La forza dell'amore oder Die von Paris entführte Helena (1709 Hamburg)
Die blutdürstige Rache oder Heliates und Olympia (1709 Hamburg) [+ Graupner]
Desiderius, König der Langobarden (26.7.1709 Hamburg)
Die bis und nach dem Todt unerhörte Treue des Orpheus [rev. Die sterbende Euridice & Orpheus ander Theil] (1709 Hamburg)
La grandezza d'animo oder Arsinoe (1710 Hamburg)
Le bon vivant oder Die Leipziger Messe (1710 Hamburg)
Der Morgen des europäischen Glückes oder Aurora (26?.7.1710 Hamburg)
Der durch den Fall des grossen Pompejus erhöhte Julius Caesar (11.1710 Hamburg)
Der hochmüthige, gestürtzte und wieder erhabene Croesus (1710 Hamburg)
Die oesterreichische Grossmuth oder Carolus V (1712 Hamburg)
Die entdeckte Verstellung oder Die geheime Liebe der Diana (4.1712 Hamburg)
Die wiederhergestellte Ruh oder Die gecrönte Tapferkeit des Heraclius (König) (6.1712 Hamburg)
L'inganno fedele oder Der getreue Betrug (10.1714 Hamburg)
Die gecrönte Tugend (15.11.1714 Hamburg)
Triumph des Friedens (1.3.1715 Hamburg)
Fredegunda (3.1715 Hamburg)
L'amore verso la patria oder Der sterbende Cato (1715 Hamburg)
Artemisia (1715 Hamburg)
Das römische Aprilfest (6.1716 Hamburg)
Das verewigte und triumphirende Ertz-Haus Oesterreich (1716 Hamburg)
Das zerstörte Troja oder Der durch den Tod Helen versöhnte Achilles (11.1716 Hamburg)
Die durch Verstellung und Grossmuth über die Grausamkeit siegende Liebe oder Julia (2.1717 Hamburg)
Die grossmüthige Tomyris (2.1717 Hamburg)
Der die Festung Siebenbürgisch-Weissenburg erobernde und über Dacier triumphirende Kayser Trajanus (11.1717 Hamburg)
Das bey seiner Ruh und Gebuhrt eines Printzen frolockenden Lycien unter der Regierung des Königs Jacobates und Bellerophon (28.12.1717 Hamburg)
Die unvergleichliche Psyche [rev.? Die wunderschöne Psyche] (16.4.1722 København)
Ulysses (10.1722 København)
Der Armenier (11.1722 København)
Die betrogene und nochmahls vergötterte Ariadne [rev. (Conradi)] (25.11.1722 Hamburg)
Sancio oder Die siegende Grossmuth (1723?; np)
Das wegen Verbannung der Laudplagen am Geburthstage Herrn Friedrich IV zu Dennemark jauchzende Cimbrien (1724 København)
Das frohlockende Gross Britannien (8.6.1724 Hamburg)
Der sich rächende Cupido [rev. Die entdeckte Verstellung oder Die geheime Liebe der Diana] (1724 Hamburg)
Bretislaus oder Die siegende Beständigkeit (27.1.1725 Hamburg)
Der Hamburger Jahrmarkt oder Der glückliche Betrug (27.6.1725 Hamburg)
Die Hamburger Schlachtzeit oder Der misslungene Betrug (22.10.1725 Hamburg)
Prologus beim Geburths Feste Friderici Ludovici von Hannover (31.1.1726 Hamburg)
Mistevojus König der Obotriten oder Wenden (1726 Hamburg)
Der lächerliche Printz Jodelet (1726 Hamburg)
Buchhofer der stumme Printz Atis (1726 Hamburg)
Barbacola (1726 Hamburg) [+ Lully]
Lucius Verus oder Die siegende Treue (18.10.1728 Hamburg)
Der hochmüthige, gestürtzte und wieder erhabene Croesus [rev] (1730 Hamburg)
Jauchzen der Künste (1733)
Circe (1.3.1734 Hamburg)