Böse Menschen, brave Tiere
Torsten Fischer inszenierte Janaceks »Schlaues Füchslein« in der Volksoper
22. 2. 1992
Der Erfolg der Premiere war beinahe ebenso stürmisch wie jener der vorletzten Produktion in der Volksoper: Auf die sensationelle »Lady Macbeth« folgte nun ein »bezauberndes Fräulein«, Leo Janaceks »Schlaues Füchslein«. Ein bißchen zu bezaubernd vielleicht, um mit der starken emotionalen Wirkung der blutrünstigen Vorgängerin mithalten zu können. Am Stück liegt's nicht. Viel eher an der Wald-und Wiesenromantik, die Regisseur Torsten Fischer, vielleicht weil Bühnenbildner Herbert Schäfer sie ihm verweigert, inszenierenderweise doppelt und dreifach auf die Bühne zurückholt.
Gaby Frey hat die Kostüme entworfen, liebevoll wie für eine Kinderbühne sind Füchse, Igel, Dachse, Eulen und sonstiges Waldesgetier nachgebildet und tummeln sich tanzend, springend und alles beschnuppernd auf der kargen Holzschräge, die diesmal die Welt bedeuten soll. Oder doch nur den Boden für eine belanglose Märchengeschichte?
Fischer reduziert Janaceks symbolbefrachtetes Naturstück im wesentlichen auf die Parallelen zwischen der Titelheldin und dem schönen Zigeunermädchen Terynka. Dieses (wirklich schön: Ballerina Sonja Thienel) schreitet immer dann bedeutungsschwanger über die Bühne, wenn die Männerwelt von ihr träumt. Ein Idealbild wird auf diese Weise zur bedauernswert überbeschäftigten Nachtwandlerin. Denn ausnahmslos alle Herren der Schöpfung träumen von Terynka, bis der Landstreicher Haraschta sie endlich erobert. Zu Recht übrigens, denn Michael Kraus läßt in seinem Liedlein die schönste Männerstimme des Abends hören.
Die Parallele zur idealisierten Tierwelt ist dank solch aufdringlicher Metaphorik nicht zu übersehen. Und scheint dem Zuschauer ein unkompliziertes Enträtseln der Symbolhaftigkeit dieser Oper zu ermöglichen: Was dem mißratenen Menschengeschlecht nicht gelingen kann, widerfährt den braven Tieren wie von selbst. Die zauberhafte Liebesszene gehört schließlich in diesem Fall Schlaukopf und ihrem »süßen« Eroberer. Das ist in solchem Ambiente - ebenso erfolgreich wie irreführend, zielt doch die eigentliche Botschaft von Libretto und Musik in tiefere, allgemeinere Regionen. Da tönt wenn auch im Falle des Volksopernchores nicht immer harmonisch - die Natur und fordert ihr ewiges Recht ein. Und im Monolog des Försters gibt sich der Mensch schließlich drein.
In der Volksoper bleibt das jetzt Episode, eine Randglosse im reizend unkomplizierten Fabel-Öperchen. Das Unbehagen dessen, der aus Jan'aeks Musik mehr heraushört als der Regisseur, wird verstärkt durch die keineswegs folgerichtig entwickelte Personen-beziehungsweise Tierführung. Das meiste steht abgehackt nebeneinander, ein Sammelsurium hübscher Einfälle, verbunden durch Leerläufe, die ausschließlich durch naturgegebene Persönlichkeit der Darsteller kaschiert werden können.
Im Falle der Titelheldin Edith Lienbacher gelingt das vortrefflich, ein entzückenderes Füchslein mit koketterem Augenaufschlag und idealer dazupassender, glockenheller Sopranstimme läßt sich gar nicht denken. Schwerenöter Fuchs gewinnt bei Elisabeth Kales immerhin auch charmantes Profil, vor allem in optischer Hinsicht.
Schwer hat es Hans Helm, dessen Förster eigentlich die Zentralfigur sein könnte, diese auch samt der nötigen stimmlichen Charakterisierungskunst auszufüllen imstande wäre, hätte ihn der Regisseur nicht ebenso im Stich gelassen wie die übrigen Darsteller.
Deren Problem in diesem eigenwilligen Werk ergibt sich aus der Tatsache, daß sie mit kurzen Auftritten, wenigen Gesten und erstaunlich spärlichen Gesangs-Passagen glaubhafte Figuren auf die Bühne zu bringen hätten. Da ist diesmal nur in Ansätzen zu erfahren, daß Benedikt Kobel oder Josef Forstner über erstaunliches Talent verfügen, daß die meisten anderen eine erstklassige gesangliche und darstellerische Erfüllung von Janaceks Vorschriften gewährleisten könnten.
Viel Liebe verschwendete der Regisseur nur auf die märchenhaften Tierszenen. Da arbeitet er mit dem Eifer eines Kindes, das seine Soffpuppengalerie neu ordnet. Und sichert sich damit hellen Jubel. Hübsch anzusehen ist dieses »Schlaue Füchslein« jedenfalls. Das Orchester unter Jan Latham-Königs Führung musiziert dankenswert luftig und leicht. Daß es sich in die sanften Ekstasen Janaceks nicht mit derselben Intensität findet wie zuletzt in die virtuos-brutalen eines Dmitri Schostakowitsch, darf man ihm angesichts der verharmlosenden Inszenierung gar nicht verdenken. Eine aufwühlendere Darstellung der Musik provozierte vielleicht allzuviele Fragen, die diesmal offen bleiben müßten.
Das Publikum dankte den Ausführenden für ein unkompliziertes Märchenspiel. Es wäre paradox, scheint aber keineswegs ausgeschlossen, daß eine Janacek-Oper wenigstens auf diesem Wege zu einem Kassenschlager werden könnte.