SCHUMANN ALS SYMPHONIKER

Vier Symphonien hat Robert Schumann veröffentlicht. Allerdings gibt es bei der Zählung einige Verwirrung: Entstehungsdatum und Numerierung sind nur im Falle der ersten kongruent.

Die »Frühlingssymphonie«

Frühlingssymphonie nennt sich die erste der vier Schumamnnschen Symphonien - Im Tale blüht der Frühling auf verkünden die Trompeten gleich zu beginn, ein Schumann-Lied zitierend.

In der ursprünglichen Version steht diese Fanfare übrigens eine Terz tiefer als später gedruckt;


in der → Aufnahme von Josef Krips mit London Symphony ist die Originalfassung zu hören!

Der Liederkomponist, der Meister der kleinteiligen Klavierzyklen verleugnet sich in diesem ersten symphonischen Versuch nicht.
Die Mittelsätze, aber auch das gemütlich-tänzerische Finale haben nichts orchestral Großformatiges.

Eine sträflich wenig beachtete Aufnahme dieser Symphonie stammt von Israel Philharmonic unter Paul Kletzki. Mitte der Fünfzigerjahre entstanden, fängt sie die »Frühlings«-Stimmung der Musik ein wie kaum eine zweite Aufnahme, schon die Überleitung zum Allegro-Teil im Kopfsatz ist prickelnd, die rhythmische Prägnanz des Spiels elektrisierend wie die klanglichen Details, die lustvoll exekutierten Pizzicati der Streicher. Die Aufnahme lebt auch in den kleinsten Details und gibt den großräumigen melodischen Entwicklungen Geschmeidigkeit. Das Finale beweist, daß Springlebendigkeit nichts mit überzogenen Tempi zu tun haben muß: Aufs »wie gespielt« kommt es an. (Warner)

Die d-Moll-Symphonie

Erst mit seinem zweiten Anlauf, der d-Moll-Symphonie, sucht Schumann die zyklische Architektonik zu bannen, indem er die vier Symphoniesätze in einen pausenlosen Ablauf bündelt - wie Liszt in seiner Klaviersonate.
In dieser, später gründlich überarbeiteten und als Vierte Symphonie op. 120 veröffentlichten Partitur ist alles aus einer motivischen Keimzelle heraus entwickelt und das Finale fungiert als große Reprise und Summe der großen, halbstündigen Entwicklung.

Herbert von Karajan hat gern von der magischen Wirkung erzählt, die Wilhelm Furtwängler mit den Berliner Philharmonikern in der Übergangspassage vom Scherzo zum Finalsatz erreichte: War man nun noch drüben - oder schon „herüben“ gelandet?

Karajan selbst hat diese Passage später unvergleichlich modelliert und zumindest was die erhaltenen Aufnahmen betrifft das Vorbild Furtwängler zumindest egalisiert, wenn nicht übertroffen.



Schon seine erste Aufnahme der Symphonie mit den Berliner Philharmonikern (für EMI Ende der Fünfzigerjahre) gelang atemberaubend.

Und mit den Wiener Symphoniker hat Karajan wenig später gerade an der Vierten Schumann ein Exempel statuiert: Die von Henri Cluzot für Film dokumentierte Probenarbeit demonstriert minutiöse Feinarbeit an Phrasierung und farblicher Abstimmung (EuroArts). Ein schöner Livemitschnitt von den Salzburger Festspielen läßt hören, hören, wie Karajan diese Symphonie mit der Staatskapelle Dresden realisierte (DG).

Die Symphonien in C- und Es-Dur

Die übrigen Schumann-Symphonien waren Karajan übrigens kein Anliegen. Für die Deutsche Grammophon hat er zwar alle Vier aufgenommen, doch beließ er es im Falle der C-Dur-Symphonie (Nr. 2 der offiziellen Zählung) im Zuge der Aufnahmesitzungen bei einer einzigen Live-Aufführung: »Nie wieder«, soll er dem Konzertmeister beim Aufrauschen des Schlußapplauses zugeraunt haben.

Karajans Orchester hat in den Sechzigerjahren unter Rafael Kubeliks Leitung eine famose Gesamtaufnahme der Schumann-Symphonien (ebenfalls DG) vorgelegt, die bis heute kaum ihresgleichen hat.

Wenn es auch Einzelaufnahmen von großem Atem gibt - wie jene der Zweiten, die Christian Thielemanns im Rahmen seiner Gesamteinspielung der Symphonien mit der Staatskapelle Dresden (Sony) gelungen ist.


Oder von mitreißendem Schwung getragene wie die Aufnahme der fünfsätzigen, unterschwellig wieder den Suiten-Ton des Klaviermeisters aufnehmenden Es-Dur-Symphonie (Nr. 3, die „Rheinische“ genannt) unter Carl Schuricht mit dem Pariser Konservatoriums-Orchester.

Der Kopfsatz ist sicher nie wieder mit solcher Verve im Studio realisiert worden; der mystische, vom Inneren des Kölner Doms inspirierte langsame Satz hat freilich stärkere Deutungen gefunden; die unkonventionellste wahrscheinlich durch den strengen Otto Klemperer in seiner Spätphase, der hier wie ein grandioser Bildhauer ans Werk ging. Schumann schafft hier - wie schon in der d-Moll-Symphonie - ganz enge motivische Beziehungen zwischen den einzelnen Sätzen, ohne freilich die fünf Sätze spürbar zu einer großen architektonischen Einheit zu binden.



↑DA CAPO