Alfred Wopmann

Wie wird man ein erfolgreicher Intendant?

Gespräch, Juli 2003

Alfred Wopmann leitete zwei Jahrzehnte lang die Bregenzer Festspiele. Im Interview erzählte er, wie er diesen zu internationalem Rang verhalf.

"Wir haben eine Zäsur erreicht", sagt Alfred Wopmann, zwei Jahrzehnte lang Intendant der Bregenzer Festspiele. Er bereitete für heuer seine letzte Spielzeit vor und verabschiedet sich dann, wie er in Anspielung auf Janaceks "Schlaues Füchslein" selbst sagt, "wie der Förster aus dem Wald". Der Janacek-Oper ist die diesjährige Premiere im Festspielhaus gewidmet. Auf der Seebühne gibt es erstmals Bernsteins "West Side Story", im Werkstatt-Theater eine Kafka-Oper von Georg Friedrich Haas. "Drei Spielorte, die drei sehr unterschiedliche Möglichkeiten für das Musiktheater bieten", bilanziert Festspiel-Macher Wopmann, "dabei eine Auslastung von 95 Prozent auf dem See, 97 Prozent im Haus und immerhin etwa 87 Prozent für die modernen Werke - das ist, glaube ich, ein Status, mit dem man sehr zufrieden sein kann." Eben eine Zäsur, nach Wopmanns Ansicht, denn: "Wie wollen wir das nach 20 Jahren noch steigern?"

"Es ist Zeit für Neues"

Die Antwort hat sich Wopmann selbst gegeben: "Es ist Zeit für Neues. Es ist Zeit, die Frage zu beantworten, wie man das klare dramaturgische System, das wir hatten, umdichten kann." Dieses System war Erfolgsgarant für die Bregenzer Festspiele seit Mitte der achtziger Jahre. Ein neu gedeuteter Klassiker imposanten Zuschnitts auf dem See, eine Rarität im Haus und - seit Bestehen der Probebühne - experimentelles Musiktheater der Avantgarde.

"Die beiden letzteren", sagt Wopmann, "habe ich mit den Überschüssen finanziert, die wir mit dem Open-Air-Stück erzielen konnten." Von diesen waren etwa die Produktionen von "Nabucco" oder zuletzt des "Ballo in maschera" besonders erfolgreich. Jerome Savarys Deutung der "Zauberflöte" hat unter Opernfreunden Kultstatus erlangt.

Auf dem See, meint Wopmann, müsse ein Regisseur immer ganz klare, starke Zeichen setzen, Situationen präzis umreißen. "Gelingt das nicht, dann siegt die Natur. Die Natur ist unser Korrektiv." Dass man in Bregenz während der Ära Wopmann stets danach getrachtet hat, bei allem Freiluft-Spektakel das künstlerische Niveau nicht zu verraten, hat den Festspielen über die Grenzen hinaus Bedeutung verliehen. "Wir haben es geschafft", sagt Wopmann, "die Kartenerlöse zu vervierfachen und trotzdem keine Anbiederung nach unten notwendig zu machen. Im Gegenteil. Es kam sogar das deutsche Feuilleton zu Freilicht-Aufführungen, was früher kaum denkbar war. Und immerhin haben bei uns 330.000 Menschen ,Porgy and Bess' gesehen!"

Hinzu kamen die Raritäten im Festspielhaus, für die Wopmann "zwar nicht Aktualität um jeden Preis gesucht" hat, aber "die Relevanz der Stücke für unsere Zeit". Es gelang, etwa mit Regisseuren wie Harry Kupfer selten gespielte Werke oder solche, die wie "Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch" von Rimskij-Korsakow im westeuropäischen Repertoire überhaupt keinen Stellenwert haben, in aufregender Weise zu beleuchten und zur Diskussion zu stellen.

Ob Catalanis "La Wally", Saint-Saens "Samson und Dalilah", Zandonais "Francesca da Rimini" oder Rubinsteins "Dämon", die internationale Kritik reagierte meist mit großem Respekt, oft sogar enthusiastisch auf die Bregenzer Entdeckungen, die dank musikalischer Einstudierungen unter Dirigenten wie Fabio Luisi oder Wladimir Fedosejew künstlerisch erstrangig gerieten.

Die nahe liegende Frage, warum Wopmann für die nötigen Entscheidungen - und hie und da auch für die Ablehnung schwacher Regiekonzepte - über den Instinkt und die handwerklichen Kenntnisse verfügte, ist übrigens leicht zu beantworten. Der Intendant war lange Jahre hinter der Bühne aktiv und hat alle Bereiche des theatralischen Lebens aus eigener Anschauung kennen gelernt. "Ich bin", erzählt er selbst, "Musiker, Regisseur und Intendant, bei mir hat sich eins aus dem anderen ergeben, wie bei einer russischen Puppe. Zuerst Substitut im Orchestergraben der Wiener Staatsoper - unter Dirigenten wie Mitropoulos und Karajan, aber immer zweite Geige, das heißt mit Blick auf die Bühne, denn mich hat immer schon das Ganze interessiert, nicht nur die Musik, sondern auch das Theater. Ich habe mich immer gefragt: Wie passt das auf der Bühne zu dem, was ich aus den Noten herauslese, was ich in den Klängen höre?"

Dann wechselte Wopmann die Fronten, die für ihn keine waren, wurde vom Geiger zum Abendspielleiter, zum Regisseur, zum Leiter des Opernstudios der Staatsoper.

"Learning by doing"

Als Regisseur war er dann in Orange zum ersten Mal mit den Gesetzen der Freiluftbühne konfrontiert. "Das war", erinnert er sich, "learning by doing. Und die rasche Erkenntnis: Auf der Bühne darf sich nur wenig ereignen, aber das muss von einer gewissen Erhabenheit sein. Die klassischen Freiluftbühnen sind ja - wie auch unsere Seebühne und unser Festspielhaus - Aufsichttheater. Die Bühne muss dem Zuschauer also entgegen wachsen." - Als Mitarbeiter Jean Pierre Ponnelles hat Wopmann, wie er selbst bekennt, am meisten gelernt: "Vor allem, was es heißt, eine eigene Bildsprache zu entwickeln, eine Bilddramaturgie".

Dass die Bregenzer Festspiele einen Intendanten suchten, hat Wopmann seinerzeit übrigens aus der Zeitung erfahren. "Ich hab' mir gedacht: Ich schreib' wegen der ,Hetz' hin. Und wie das Schicksal so spielt, am Ende bleibt man dann über!" Sein Rezept: "Nicht nur jeden Regisseur, jeden Dirigenten, auch jeden Sänger selbst engagieren. Junge Sänger, die hungrig sind, Kunst zu machen." Heuer starten sie bei ,West Side Story', bei Janaceks ,Schlauem Füchslein" und beim neuen Stück von Georg Friedrich Haas ihren Eroberungsfeldzug.

↑DA CAPO