Harry Kupfer

Gespräch zu Ariadne auf Naxos, 2010

»Ein Glück, dass Ariadne gescheitert ist!«

Harry Kupfer im Gespräch. Der Regisseur, der nun Richard Strauss im Theater an der Wien inszeniert, über Shakespeare-Nähe bei Hofmannsthal, seine ungebrochene Bühnenleidenschaft und modische Regiewillkür.

Die Presse: »Ariadne auf Naxos« ist vielleicht die rätselhafteste Oper aus der Werkstatt von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss. Ursprünglich sollte die Oper das Nachspiel zu Hofmannsthals Einrichtung des »Bürgers als Edelmann« sein...

Harry Kupfer: Das war ein Experiment, das ziemlich schiefgegangen ist. Aber das war ein Glücksfall, dass es schiefgegangen ist! Auf diese Weise sind wir zu diesem Geniesstreich gekommen, der für mich durchaus Shakespear'sche Dimensionen hat: Das Heitere, das Tragische, das Philosophische, Liebe, Tod, Betrug, all das wird vermischt, ins Theatermilieu gebracht, als ob das ganze Leben ein Theaterspiel wäre.

Ist es das?

Dieses Stück mit seinen scheinbar unmöglichen Verquickungen ist wie das Leben, das immer wieder Pläne über den Haufen wirft.

Sie haben »Ariadne« bisher nie inszeniert, sind auch keineswegs ein Freund aller Strauss-Opern.

Nicht alle Strauss-Opern stehen mir nahe. Das stimmt. Aber die Arbeiten des genialen Gespanns Hofmannsthal/Strauss haben mich immer gereizt. Für "Ariadne" hatte ich Anfragen. Aber vielleicht ist es gut, dass es sich nie ausgegangen ist. Es schadet ja nichts, wenn man älter wird und sein Metier besser versteht...

Sie inszenieren ja auch bestimmte Werke, die Sie öfter gemacht haben, gern noch einmal?

»Tannhäuser« zum Beispiel nehme ich mir demnächst noch einmal vor. Das ist mir ein Bedürfnis. Ich dachte bei meinen früheren Produktionen immer, ich sei schon nah an der Wahrheit. Bestimmte Dinge lesen sich dann aber doch mit den Jahren anders.

Hat sich für Sie das Theater seit den politischen Umwälzungen von 1989 gewandelt?

Die Theaterpraxis hat sich natürlich gewandelt. Vieles ist bestimmt durch materielle Betrachtungsweisen. Nicht zuletzt in einer Zeit, in der so viel von der Krise die Rede ist. An der Auseinandersetzung mit den Stücken hat sich aber nichts geändert. Was will man denn mit dem Theater? Jedenfalls Dinge zur Diskussion stellen, Kritikpunkte aufzeigen, fragen, wie die Menschen miteinander leben. Das ist nicht anders als vor 30 Jahren.

Doch hat man den Eindruck, dass sich Regisseure heute noch mehr gegenüber den Stücken und den Autoren herausnehmen als je zuvor.

Ich rede nur über mich. Natürlich sehe ich, dass heute zum Teil mit den Werken gespielt wird. Im Vordergrund steht die Sensation, die Selbstinszenierung. Für mich ist das nicht wichtig. Ich muss ein Stück begreifen, lieben können, den Autor achten. Wenn das so ist, dann kann man es immer wieder neu lesen. Aber man muss immer am Stück bleiben, auch wenn man es zum Heute in Beziehung setzt. Alles, was die Primärschaffenden geschaffen haben, ist eben bedeutender als das, was wir Nachschaffende tun können.

Welche Projekte haben Sie nach der »Ariadne«?

Zunächst, wie gesagt, den »Tannhäuser«, dann kommt Janacek, »Katja Kabanowa«, in Holland. Und dann ein »Meistersinger«-Projekt; darf aber noch nicht sagen, wo!

Jedenfalls scheint Ihre Freude am Theater ungebrochen?


Ich sage immer: Solange die Fantasie funktioniert und ich noch 'ne dreistündige Chorprobe aushalte, ohne mich hinzusetzen, so lange hör ich nicht auf.

Apropos Fantasie. Wie entsteht eine Kupfer-Inszenierung? Sie gelten als Regisseur, der schon zur ersten Probe mit einem fix und fertigen Konzept erscheint.

Ich hab doch lange genug Zeit. Zuerst bekomme ich etwas angeboten, das ist zwei oder drei Jahre vor der Premiere. Dann heißt es immer wieder lesen, hören, studieren. Dann krieg ich den Grundeinfall. Das ist wie das erste Thema, die erste Melodie beim Komponieren. Dann liest man weiter und guckt, wie sich die Szenen mit dem Grundeinfall verquicken lassen. Am Ende, nach den Gesprächen mit Bühnenbildner und Dirigent, gibt es dann einen Klavierauszug, in dem steht Takt für Takt die Inszenierung drin.

Nach dem gehen Sie dann akribisch vor?

Bei der Probe gucke ich dann gar nicht rein in den Auszug. Aus dem, was die Sänger verstanden haben, entstehen die Dinge, bekommt die Arbeit einen eigenen Schub.

Bringt der dann hie und da die Produktion in eine andere Richtung, als im Klavierauszug notiert ist? Ist das Konzept während der Arbeit mit den Sängern manchmal umgestoßen worden?

Nein, das ist noch nie passiert. Bereichert ja, umgestoßen nie.


↑DA CAPO