15. Juni 2011

Klaus-Florian VOGT

Klaus Florian Vogt, vor der Premiere von Janaceks "Katja Kabanova" im Gespräch über die lyrische Qualität von Wagner-Partien, über Orchesterklang und manierierte Bach-Interpretationen.

Derzeit probt er an der Wiener Staatsoper gerade für die Premiere von Leos Janaceks "Katja Kabanova". Der Boris - der unglückselige Liebhaber der Titelfigur dieser Oper - ist nicht gerade eine typische Partie für ihn: Klaus Florian Vogt hat als Wagner-Tenor Weltkarriere gemacht. Die Janacek-Partitur kommt ihm im Vergleich zu seinen gewohnten Aufgaben, dem Lohengrin oder dem Walther von Stolzing in den Meistersingern, geradezu unverschämt kurz vor. Worüber mancher Kollege klagt, das betrachtet Vogt als willkommene Herausforderung. "Ich habe", sagt er, "nicht das Gefühl, dass ich nach einer Wagner-Aufführung drei Wochen pausieren muss, weil mich das so anstrengt. Die großen Partien verschleißen mich nicht. Außerdem bin ich gern gefordert. Eine Partie wie der Boris mit seinen kurzen Auftritten ist für mich geradezu ein Geduldspiel."

Im tschechischen Original gesungen

Janaceks Musik findet Vogt freilich großartig. Dass das Publikum zu wenig verstehen könnte, weil im tschechischen Original gesungen wird, glaubt er nicht: "Ich bin mir sicher, dass durch den musikalischen Ausdruck alles verständlich wird."

Im Hinblick auf die überwältigende Kraft der Musik lässt sich jene zu "Katja Kabanova" ja durchaus mit der jener Komponisten vergleichen, die Vogt so liebt, Wagner vor allem, Musik jedenfalls, die über viel emotionale Sogwirkung verfügt. Romantische Musik hat es dem Tenor angetan. "Das hat mir immer mehr zugesagt als Klassisches oder gar Barockmusik."

Natürlich ist das bedeutende Musik, darüber ist sich der Künstler schon im Klaren, aber "ich finde", sagt er, "dass sie sehr oft ein bisschen manieriert gespielt und gesungen wird. Zu intellektuell vielleicht. Ich frage mich schon oft, warum man Bach nicht mit richtiger Stimme singen darf. Da gibt es ja Kapellmeister, die sich die Ohren zuhalten, wenn so ein richtiger Ton rauskommt".

"Auch Mozart wird ja teilweise für meinen Geschmack zu leichtgewichtig besetzt", ergänzt Vogt: "Der Tamino muss ja doch auch ein wenig heldisch klingen. Sonst fehlt etwas. Andererseits haben doch auch viele Wagner-Rollen sehr lyrische Qualitäten. Der Erik, der Stolzing, der Lohengrin, eigentlich auch der Tristan."

Dass über die Jahrzehnte hin hier mehr gebrüllt als gesungen wurde, hat Vogt als Hörer auch erlebt: "Die Gründe, warum sich etwas in eine solche Richtung entwickelt, weiß ich nicht. Das hat vielleicht viel mit dem Geschmack von Dirigenten oder auch Regisseuren zu tun." Wie im Fall der Originalklang-Revolution in Sachen Barock und Klassik, die Vogt nicht davon abhält, kommende Spielzeit den Titus zu singen. Auf seine Weise.

"Es gilt doch", sagt er, "gerade auch bei den Wagner-Partien, dass die Mischung stimmen muss, sie müssen sowohl heldisch als auch schön klingen. Und die Stimme muss trotzdem zu hören sein."

Als ehemaliger Hornist hat Vogt übrigens durchaus Verständnis dafür, wenn ein Orchester einmal so richtig aufdreht. Das gehört absolut dazu, sagt er und erinnert sich, dass gerade die überwältigenden Momente in romantischen Partituren es ihm schon als jugendlichen Hörer angetan haben. Sie begleiteten ihn einst bis ins Bett: "Als Kind, wenn ich schlafen gehen musste, während mein Vater mit Freunden noch Hausmusik gemacht hat, liebte ich vor allem Stücke wie die Brahms-Klaviertrios."

"Richtig Gas" mit der Horngruppe

Und als Musiker in großen Orchestern genoss er die großen Steigerungen etwa in Bruckners Symphonien. "Ich liebte es, mit der Horngruppe richtig Gas zu geben. Hie und da sehe ich meine Entwicklung durchaus noch mit einer Träne im Auge. Die Gruppenkraft, die man als Hornist erleben kann, die geht einem als Sänger durchaus ab."

Als Einzelkämpfer gegen allzu heftige Instrumental-Attacken hat Klaus Florian Vogt freilich allenthalben Furore gemacht. Nicht nur in Bayreuth, wo das verdeckte Orchester nicht nur Vorteile hat, wie er aus Erfahrung weiß: "Für die Hörer ist das wunderbar, wenn sich der Orchesterklang zuerst einmal auf der Bühne mit den Stimmen mischt, bevor er ins Auditorium strahlt. Aber als Sänger muss man da eine eigene Technik entwickeln, man darf nicht zu früh einsetzen, später jedenfalls als in einem normalen Opernhaus. Und man darf sich, weil man einen so unglaublich präsenten Streicherklang geliefert bekommt, nicht verleiten lassen, zu viel Stimme zu geben."

Zurück zum "Lohengrin" nach Bayreuth

Nächster Teil der diesbezüglichen Übung: Bayreuth 2011, da bringt die "Lohengrin"-Wiederaufnahme den Tenor zurück auf den grünen Hügel, wo er auch schon Katharina Wagners Stolzing war. Im Herbst gibt es dann den Mozartschen Titus in Paris. Und Wien holt den Tenor wieder für Reprisen der "Katja Kabanova". Und danach? "Haben wir noch nichts fix vereinbart. Aber ich hoffe sehr .  .  ."

↑DA CAPO

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