Diese Provinz soll leben

Kiri Te Kanawa als Arabella in der Staatsoper

12. Mai 1992

Noch immer gibt es Kommentatoren, die unbeirrt behaupten, das Konzept Eberhard Waechters und Ioan Holenders hätte der Wiener Staatsoper »provinzielle« Dimensionen beschert. Diese »Musikfreunde« gehen offenbar nicht in die Vorstellungen. Sonst kämen sie nämlich in die prekäre Situation, erklären zu müssen, wo sonst in der Welt eine Aufführung wie jene »Arabella« vom vergangenen Sonntag stattfinden könnte, mit Kiri Te Kanawa in der Titelpartie, umgeben von einem hervorragenden Ensemble.

Nicht, daß im Haus am Ring im Moment ausschließlich solche Sternstunden stattfänden. Nur: Sie finden endlich wieder statt. Außerhalb des Premierenrummels, im vielgeschmähten Repertoire, das, wie sich zeigt, höchst lebensfähig ist.

Das Orchester musiziert heute, da endlich wieder die orchestral anspruchsvollsten Schöpfungen von Wagner, Strauss oder Verdi den Spielplan beherrschen, »Arabella« unter der sicheren Stabführung von Berislav Klobucar mit einer Selbstverständlichkeit und Hingabe wie lange nicht. Allein der warme, frei strömende Streicherklang im poetischen Nachspiel des großen Duetts im zweiten Akt hat diesen Abend geadelt.

Motiviert wohl vom verführerischen, nobel getönten Gesang der großen Kiri Te Kanawa, die mit ihrer hoheitsvoll reservierten, von traumhaft ebenmäßiger Stimmbeherrschung gekrönten Darstellung der »Arabella« Ovationen ernten konnte.

Ihr zur Seite ein bemerkenswerter Debütant: David Pittman-Jennings, ein Mandryka von librettogerecht täppischem Gehabe, begabt mit einer kraftvollen Baritonstimme, die er mit draufgängerischer Verve einsetzt. Und mit einer »Offenheit« auch in den heikelsten Passagen, die wohl jeden Gesangslehrer für seine Zukunft fürchten läßt, dem Publikum aber die herrlichste Gegenwart beschert.

Großartig der Matteo von David Keubler, der den für Tenöre notorisch sadistischen Anforderungen Strauss' ungeniert begegnet und sich noch im heiklen Final-Auftritt der eigenen, klaren und kräftigen Spitzentöne erfreut.

Im übrigen ist diese Aufführung, von Regiehand liebevoll betreut, mit darstellerischen Kabinettstücken wie der - stimmlich hell timbrierten, nur in wenigen Momenten irritierten - Zdenka von Ulrike Sonntag, dem Grafen Waldner von Günter Missenhardt und manch anderen gesegnet. Es ist nicht das erstemal in dieser Saison, daß alle, die nicht dabei waren, keine Chance auf eine Wiederholung haben. Es war ja »nur« ein Abend im Repertoire. Freitag folgt mit Dame Kiri immerhin noch ein »Rosenkavalier«. »Provinzialismus« zum angewöhnen.



↑DA CAPO