Lotte Schöne

1891 - 1977


Schöne-Edition
(Marston, 2020)

Die große Sopranistin stammte aus Wien, bezauberte das Publikum in ihrer Heimat und in Deutschland, bis sie fliehen mußte...

Lotte Schöne war Jüdin. Berlin, wo sie ihre größten Triumphe feiern konnte, mußte sie 1933 verlassen, Österreich nach dem sogenannten »Anschluß« ans Deutsche Reich, 1938. Den Zweiten Weltkrieg überlebte die Sängerin versteckt in den französischen Alpen.

An der Wiener Hof- bzw. Staatsoper zählten zu ihren wichtigsten Partien die Norina (Don Pasquale), die Marie (Zar und Zimmermann), Susanna und - vor allem - Cherubino (Figaros Hochzeit) und Musette (La Boheme). In der Direktions-Ära von Richard Strauss auch die Sophie (Rosenkavalier und die Zerbinetta (Ariadne auf Naxos).

Schönes subtile Gestaltungskunst im Liedgesang und auf der Opernbühne ist vor allem dank ihrer zahllosen Schallack-Aufnahmen überliefert. Einige Einspielungen französischer und deutsche Lieder entstanden noch nach dem Krieg für deutsche und französische Rundfunkanstalten, vor allem in Paris. Alle Aufnahmen hat Marston 2020 gesammelt und inklusive einiger zuvor unveröffentlichter Takes in einer liebevoll aufgemachten CD-Edition heausgebracht.

Der Charme Lotte Schönes, der ihre Bühnenauftritte unwiderstehlich machte, läßt sich auf den alten Aufnahmen durchaus erahnen. Witz und Verschmitztheit transportierte sie jedenfalls auch mit stimmlichen Mitteln, der Sopran klingt weich und sicher fokussiert bis in höchste Koloraturhöhen, satt und volltönend auch in der Tief; die Töne bleiben auch in eloquenten Phrasen klar definiert - eine Nummer wie Nicolais Nun eilt herbei, Witz, heitre Laune aus den Lustigen Weibern von Windsor bewältigt sie mit augenzwinkernder Bravour und koketter Souveränität.

Doch beschränkte sich die Aussagekraft keineswegs auf das komische Fach. Im Gegenteil: Hört man die (makellos gesungene) »Tischchen«-Arie der Manon aus Massenets Oper, wird schon im einleitenden Rezitativ der Zwiespalt des Mädchens klar, die ihren Des Grieux nach wie vor liebt, aber um ihre Wankelmut weiß, und daher weiß, daß sie ihm entsagen wird. Ein wunderbares Dokument subjektiv-vokaler Modulationskunst.


Als Lied-Sängerin bemühte sich Schöne auch um das ewig vernachläßigte Hugo-Wolf-Repertoire und triumphiert auch in diesem Genre dank behutsam-liebevoller Text-Behandlung.



↑DA CAPO