Lucia Popp
Die Seelenstimme

Nachruf auf die früh verstorbene Sopranistin

7. November 1993
Lucia Popp erlag am Dienstag, 54jährig, einem Krebsleiden. Das Musiktheater verlor eine der beseeltesten Stimmen des Jahrhunderts.

Sie war am hinreißendsten, wenn sie ihre warm timbrierte, satte Sopranstimme ruhig und seelenvoll verströmen durfte: Mozart also war ihre ureigenste Domäne. Ihre Rosenarie vergißt nicht, wer sie hören durfte. Noch viel weniger die unendliche g-Moll-Traurigkeit ihrer Pamina, während derer die Zeit stillzustehen schien.

Es hat immer die berühmten Schrecksekunden gebraucht, bis Lucia Popp nach diesem, ihrem vielleicht allerbesten Glanzstück in der "Zauberflöte" Applaus bekommen hat. Die Erfolgverwöhnte hat solch "stillen Beifall", wie Mozart selbst ihn genannt hat, vielleicht am meisten geschätzt.
Ihr Künstlertum war gerade auf solche Verinnerlichung hin angelegt. So unterschiedliche Rollen wie Smetanas Marie oder die so differenziert angelegten Mozart-Gestalten erfüllte sie mit tiefgehendem, und einfühlsam stilistisch adaptiertem Wohllaut.

Dabei konnte sie, selbstverständlich, auch urkomisch sein. Wien sah sie in der letzten "Fledermaus"-Premiere als eine Rosalinde, die es zuwege brachte, nicht nur in den brillanten Soli, sondern bis in die kleinsten Nuancen und - was nicht weniger bedeutend war - auch in den Dialogen hundertprozentig präsent zu sein. Damit schloß sie durchaus an die Leistungen der prominentesten Vorgängerinnen an, womit sie sich endgültig ihren Platz im Olymp wienerischer Publikumslieblinge ersungen hatte.

Unumstößlich war ihr Ruhm schon viel früher gewesen. Zunächst im Koloraturfach, bald aber in jenem lyrischen Bereich, dem ihr Singen so herrlich menschliche Dimensionen erschloß. Sie war an der Seite der Arabella von Gundula Janowitz die bezauberndste Zdenka, die sich denken läßt und sang auch die Sophie im "Rosenkavalier" berührend wie keine ihrer Zeitgenossinnen.
Es lag wohl an diesen Urbildern, die sie kreiert hatte, daß ihr später Richard-Strauss-Fachwechsel zur Arabella oder der Marschallin manchen Verehrer enttäuscht zurückließ. Man wollte sich von der Inkarnation des jungen, süßen Opernmädels nicht trennen.

Jetzt muß man sich an den Gedanken gewohnen, daß Lucia Popp nie wieder auftreten wird. Nicht nur die Wiener Staatsoper hat damit einen Fixstern verloren.

↑DA CAPO