Deborah Polaski

Die neue Brünnhilde im Gespräch

7. Juni 1996
Deborah Polaski debütiert am Samstag an der Seite von Placido Domingo als Brünnhilde an der Wiener Staatsoper: Eine amerikanische Heroine mit Humor im Gespräch.

Geboren wurde sie in Wisconsin. Das liegt in den USA und hat, wie die Sängerin bekennt, etliche Einwohner, die nicht wissen, wie man das Wort "Opera" überhaupt buchstabiert. Trotzdem ist die großgewachsene Sängerin zum international gefragten Opernstar geworden.

Daß sie über ein differenzierendes Gehör verfügt, war schon abzulesen, als man ihr - mehr durch Zufall als in musikpädagogischer Absicht, eine Schallplatte mit Opernarien zum Geschenk machte. Klein Deborah hörte nicht alle vierzig Nummern der Sammlung mit gleichem Vergnügen, sondern beschränkte sich bald auf jene Abschnitte der Vinylscheibe, die die Stimmen von Joan Sutherland, George London und Teresa Berganza zum Klingen brachten.

Mit dem Repertoire der beiden Damen hatte die spätere Opernsängerin dann wenig anzufangen. Aber das Wissen um geschmackvolle, stilistisch richtige Anwendung stimmlicher Mittel wuchs rasch heran. Als man während etlicher Auftritte mit dem Kirchenchor ("das erstemal mit fünf, da war ich so nervös, daß ich früher fertig war als die Organistin!") entdeckte, daß in der Pastorentochter enorme vokale Fähigkeiten schlummerten, war noch keineswegs sicher, daß sich auf diesem Talent einst eine Weltkarriere aufbauen sollte.

"Ich studierte zuerst Schulmusik, damit ich auch einen Brotberuf hatte. Unterrichten hat mir aber keinen Spaß gemacht. Ich wußte schnell, daß das bestimmt nichts für mich sein würde."

Die großen Wagner-Rollen, das ahnte man schon während des ersten Engagements der Sopranistin in Gelsenkirchen, würden das rasch zu erreichende Ziel sein. "Man wird ja mit gewissen Anlagen geboren", philosophiert die Künstlerin, "die kann man dann entwickeln. Natürlich gibt es Sänger, die sich in die schweren Regionen hocharbeiten, ohne die richtigen Voraussetzungen zu haben. Aber die singen dann nicht lang."

Deborah Polaski hat ihre Karriere nach dem Debüt bei den Bayreuther Festspielen plötzlich abgebrochen. Das war 1988, und es wurde viel darüber geredet - "und viel Unsinn verzapft", kommentiert sie knapp.

"Ich wollte wirklich aufhören. Aber nach einem Jahr wußte ich, daß das Singen mein Leben ist. Das Jahr Pause hat mir für vieles die Augen geöffnet und mir erst ermöglicht, daß ich überhaupt weitersingen konnte."

Mittlerweile ist sie die Brünnhilde, Isolde, Elektra und Fidelio-Leonore in aller Welt. Und hat mit Wien allerhand Pläne: "Wenn das alles wahr wird, worüber wir reden, dann freue ich mich auf schöne Wiener Premieren!"

↑DA CAPO