»Ezio Pinza«

1892- 1957

Ein Jahrhundert-Baß, großer Ton, doch genaue, kluge Diktion bei exzellentem Legato, Dringlichkeit des Ausdrucks - ein Belcantist von umwerfendem Bühnenformat; die Opernwelt hat kaum wieder Seinesgleichen gefunden.

Er hatte 1914 debütiert, war ab 1921 von der Mailänder Scala nicht mehr wegzudenken, wurde zu Toscaninis bevorzugtem Solisten und verließ wie der Maestro nach er Machtübernahme Mussolinis seines Heimat. Die New Yorker Met wurde zu seinem wichtigsten Haus.

Geört haben muß man seine frühen Aufnahmen, die, wenn auch gefiltert, viel vom Charme und der Unbedingtheit seines Gesangs bewahren. In den Vierzigerjahren entstanden von Pinzas Interpretationen oft technisch bessere, doch muskalisch weitaus weniger glänzende Remakes. Das Charisma seines Tons war geschwunden. An Pinzas Gesang läßt sich studieren, wie viel von Belcanto im späten Donizetti und bei Verdi (Ramphis, Fiesco!) noch erhalten bleiben müssen, um der immer expressiver (und subjektiver) werdenden Musik ihre Linie zu bewahren, ohne ihr die theatralische Bildhaftigkeit und die charakterisierende Brisanz zu nehmen. Auch den Humor, im Falle von Studien wie Rossinis »La calunnia« aus dem Barbier von Sevilla, die Pinza in ein Kabinettstücke verwandelt.

Sein Don Giovanni ist legendär. Nicht zuletzt, weil Pinzas ganz und gar nicht intellektuelle Herangehensweise an seine Partien dem natürlichen Ausdruck förderlich war. Er war ein Instinkt-Sänger, der imstande war, auch in kleinen Nuancen Differenzierungen zu gestalten und innere Vorgänge hörbar zu machen. So giltt etwa die Gestaltung der Mantel-Arie des Colline aus PuccinisBohème als unerreicht.

Livemitschnitte von der New Yorker Met lassen die Stimme auch in weniger gewohnten Repertoire hören, als ehrfurchtgebietenden Hohepriester in Saint-Saens' Samson und Dalilah und dem Escamillio in Bizets Carmen, dessen Auftrittslied Pinza - als einer der wenigen Interpreten seiner Generation - singt, wie Bizet es geschrieben hat! In dieser Partie ist Pinza besonders bemerkenswert, weil er dank seiner sicheren Höhen als Baß keine Mühe hat, während die bei Baritonen meist bläßlich wirkenden, aber essentielle Passagen im tieferen Register markig und volltönend klingen.

Für Mozarts Don Giovanni (auf CD ideal dokumentiert unter Bruno Walter, 1942) war Pinza aus dem nämlichen Grund über viele Jahre die Instanz, nicht zuletzt bei den Salzburger Festspielen der Dreißigerjahre, vor allem, weil er die Dämonie dieser Gestalt ebenso zu vermitteln wußte wie den unwiderstehlichen Charme. Gehört haben muß man freilich auch seine Aufnahme von »0 Isis and Isiris« (italienisch gesungen!) um ermessen zu können, daß Pinza auch zu einer tiefgründigen und vielschichtigen Gestaltung des Sarastro in der Zauberflöte fähig war.

Das nötige Gegengewicht zu Pinzas notorischer Standard-Partie: der Gestalt des Mephistopheles bei Gounod so gut wie bei Boito.

Nach Ende seiner Opernkarriere war Pinza noch umjubelt in der Broadway-Produktion von Rodgers&Hammersteins South Pacific.

↑DA CAPO

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