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Max Lorenz

1901 - 1975

Max Lorenz war das Heldentenor-Idol der Wiener Opernfreunde in der legendären Ära nach 1945. Seine intensive Gestaltungskunst sorgte, wie auf CD heute noch mühelos nachvollziehbar, in Momenten wie den Fiebermonologen des Tristan für eine künstlerische Siedehitze, die unausweichlich war. Alle möglichen technischen Einwände verstummen in solchen Augenblicken erfüllten Musik-Theaters. Lorenz hatte die Kraft, gegen das Wagnersche Orchester anzusingen und das interpretatorische Potential, Text und Musik zu einer untrennbaren Einheit zu verschmelzen.

Biographisches

Max Lorenz hieß eigentlich Maximilian Sülzenfuß und war der Sohn eines Fleischhauers aus Düsseldorf. Er sollte den väterlichen Betrieb übernehmen, zog aber eine Künsterlaufbahn vor. Ausgebildet wurde Lorenz in Berlin. Stimme und Statur des Sängers beeindruckten schon in den frühen Zwanzigerjahren Richard Wagners Sohn Siegfried, der Lorenz als Walther von der Vogelweide für seine Bayreuther Tannhäuser-Produktion des Jahres 1925 verpflichtete, wo sich aber während der Proben herausstellte, daß der 23-Jährige den Anforderungen noch nicht gewachsen war. Siegfried Wagner verabschiedete die Nachwuchshoffnung mit ermunternden Worten:
Ich bin mir sicher, der Weg wird sie zurück nach Bayreuth führen!
Das erste Fest-Engagment führte Lorenz dann an die Semperoper nach Dresden, von wo ihn Heinz Tietjen an die Berliner Lindenoper verpflichtete. Das war 1933, im Jahr der Machtübernahme der Nationalsozialisten, mit denen Lorenz in vielerlei Hinsicht in Konfrontation geraten sollte - wobei ihn auch in schlimmsten Kalamitäten sein Status als exzellenter Wagner-Tenor vor dem Zugriff der Hitler-Schergen bewahrte: Max Lorenz war homosexuell - und stand deshalb sogar in Berlin vor Gericht. Doch der Diktator selbst entschied nach Ende des Prozesses, der Künstler, den Winifred Wagner, die Herrin der Bayreuther Festspiele, als absolut unverzichtbar bezeichnete, stehe unter Schutz.

Lorenz war überdies eine Ehe mit Lotte Appel eingegangen, die Jüdin war und die er ebenso mutig vor dem Zugriff der SS bewahrte wie deren Mutter. Lottes Bruder war emigriert, lebte später in Israel und schrieb nach dem Tod seiner Schwester, 1964, an seinen prominenten Schwager:
Was Du in menschlicher Beziehung getan hast, wird für mich immer ein Vorbild sein: Du hast in der ganzen Hitlerzeit treu zu Deiner jüdischen Frau gehalten, und darüber hinaus hast Du meine selige Mutter unter eigener Gefahr bei Dir zuhaus versteckt gehalten.
Max Lorenz war nach 1945 österreichischer Staatsbürger geworden und unterrichtete nach Ende seiner Bühnenlaufbahn am Salzburger Mozarteum.

Aufnahmen

Die 1943 in Berlin entstandene Gesamtaufnahme von Tristan und Isolde läßt hören, welche Intensität der Gesang Max Lorenz' erreichen konnte. Der dritte Aufzug ist von kaum einen anderen Tenor in ähnlicher Dramatik gestaltet worden. Freilich stand in Berlin damals keine adäquate Interpretin der Isolde zur Verfügung. Robert Heger steht am Dirigentenpult - er wwar auch Komponist, Max Lorenz hatte die Titelpartie seiner Oper Bettler Namenlos anläßlich der Uraufführung an der Wiener Staatsoper, 1932, gesungen.

Bei den Salzburger Festspielen hat Max Lorenz spät in seiner Karriere einige grandiose Proben seiner Kunst gegeben: 1953 war er der Josef K. in der Uraufführung von Gottfried von Einems zweiter Oper, Der Prozeß. Und unter Rudolf Kempe sang Lorenz 1955 in der bisher einzigen Salzburger Produktion des Werks Hans Pfitzners Palestrina.

Eine ausführliche Dokumentation zu Lorenz' Karriere und menschlicher Situation während der NS-Diktatur erschien bei medici.arts eine DVD, die auch eine akustische Rarität enthält: Auf einer zusätzlichen CD ist der erste Akt und ein Ausschnitt aus dem zweiten Aufzug von Wagners Siegfried unter der Leitung von Erich Kleiber zu hören; eine Aufnahme aus dem Teatro Colon, Buenos Aires, 1938.

DA CAPO