Hans Hotter
1909 - 2003
Am Anfang war das Lied. Musikfreunde, die Hans Hotters gewaltige Stimme in Erinnerung haben, glaubten stets, der Werdegang dieses großen Sängers sei umgekehrt verlaufen - von den riesigen Opernpartien Wagners oder Richard Strauss' aufs Konzertpodium und zuletzt zu den verinnerlichten Tönen von Schuberts Winterreise.
Das Gegenteil war der Fall. Der erste Auftritt Hans Hotters fand 1929 in München anläßlich einer Aufführung von Händels Messias statt. Hotters Lehrer, der De-Reszke-Schüler Matthäus Römer, hatte den jungen, aus Offenbach gebürtigen, mit enormen stimmlichen Mitteln begabten Mann getreu seiner künstlerischen Herkunft in subtiler Vokalkunst unterwiesen. Schumann, Hugo Wolf und Schubert waren die Hausgötter - bis Troppau rief.
Karriere im Eilzugstempo
Die damals noch übliche Karriere über die Provinz verlief bei Hotter im Eilzugstempo, denn das interpretatorische Potential war rasch überall Tagesgespräch. Auf Troppau folgten Breslau und Prag. 1934 war Hotter bereits Ensemblemitglied der Hamburgischen Staatsoper. Die Opernbühne hatte ihn eingefangen, und ein Meister wie Richard Strauss schneiderte dem hünenhaften Baßbariton neue Rollen auf den Leib - beziehungsweise: er komponierte sie ihm, wie Mozart das formuliert hatte, »in die Gurgel«: Hotter war Uraufführungs-Sänger in Strauss' Spätwerken Friedenstag und Capriccio, wo er den Dichter Oliver gestaltete. Später war er im selben Stück dann ein unvergleichlicher Theaterdirektor La Roche, den er, wie Strauss das einmal in anderem Zusammenhang formuliert hatte, tatsächlich aufs hintergründigste mit »roten Blutkörperchen« von Bühnenweisheit und Lebenserfahrung erfüllte. Eigenschaften, die ihn später auch zu einem gesuchten Regisseur machten.Auch er Jupiter in Die Liebe der Danae war für Hotter gedacht, er sang ihn anläßlich der legendären Generalprobe bei den im übrigen »verbotenen« Salzburger Festspielen 1944 im Beisein des Komponisten. Bei der Uraufführung, nach Richard Strauss' Tod, übernahm Paul Schöffler die Partie.
Dirigiert hat diese Weltpremieren alle Clemens Krauss, zu dessen Ensemble Hotter zählte, auch anläßlich der Einstudierung des Rings des Nibelungen bei den Bayreuther Festspielen 1953. Den Wotan hat Hotter dann auf unvergleichliche Weise über viele Jahre an allen bedeutenden Häusern gesungen. Der Bayreuther Livemitschnitt hält seine jugendliche Version der drei schwierigen Wagner-Partien fest, bei Georg Solti singt Hotte dann in den Wiener Studioaufnahmen Anfang der Sechzigerjahre die Partien in Walküre und Siegfried noch einmal.
Über die Jahre hin war Hans Hotter ein unersetzliches Mitglied der Opernensembles von Wien, München und Bayreuth, wo er nicht nur den germanischen Göttervater mit exemplarischem psychologischen Einfühlungsvermögen kreierte. Studioaufnahmen und Livemitschnitte halten seine Gestaltungen des Fliegenden Holländer, Hans Sachs, Kurwenal und Gurnemanz, aber auch von Strauss' Jochanaan fest. Nicht vergessen werden darf Hotters Rollenportrait des Kardinal Borromeo in Hans Pfitzners Palestrina, den der Sänger dann als Regisseur in einer denkwürdigen Produktion in Wien betreute.
Noch ganz zuletzt, als Hotter sogar vom Konzertpodium Abschied genommen hatte, kehrte er hie und da zurück, sei es als verschlagen-sinsitrer Schigolch in Bergs Lulu oder - bei den Salzburger Festspiele 1996 - als Sprecher in Schönbergs Gurreliedern. So blieb Hans Hotter bis an sein Lebensende nicht nur als Legende, sondern in Fleisch, Blut und Stimme seinem Publikum lieb und teuer.
Über seinen Tod hinaus, er starb im Alter von 93 Jahren, bewahren nicht nur unzählige Anekdoten, sondern vor allem Plattenaufnahmen und Bücher, allen voran die Autobiographie Der Mai war mir gewogen, Hotters Andenken.