Sebastian Holecek

Ein Urwiener regiert Russland

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2016

Im Gespräch. Sebastian Holecek, der »Fürst Igor« der Volksoper, über Ecken und Kanten bei Opernhelden.

Sebastian Holecek auf großer Fahrt: Der Wiener Bassbariton singt in Rom und London, in München und Stuttgart, aber er hält Österreich die Treue. Vergangenen Herbst gastierte er in Innsbruck, wo, wie er schwärmt, "Brigitte Fassbaender das Theater zu einem Schmuckkästchen ausgebaut hat". Im kommenden Sommer wird er als Tonio beim Opernfestival von Klosterneuburg zu erleben sein, nahe seiner Heimatstadt: "Da bist du ja bei mir, hat mein Sohn zu mir gesagt", erzählt Holecek mit spürbarer Freude. Wien bleibt das Lebenszentrum des Familienmenschen, der auch in dieser Hinsicht ganz unverkennbar der Sohn seines Vaters, Heinz Holecek, ist.

Die Staatsoper hat für die eine oder andere Serie angefragt - und die Volksoper bot auch für 2017 wieder eine Verlängerung der Ensemblemitgliedschaft. Das freut Holecek besonders: "Die Volksoper ist ja mein Stammhaus, meine Heimat", wo übrigens auch schon der erwähnte jüngste Spross der Holecek-Dynastie als Elfjähriger Auftritte als Torero im Kinderchor der "Carmen" absolviert hat und in den Augen des stolzen Papas die Kür gemeistert hat: "Er kann auf der Bühne schon ruhig stehen bleiben", sagt einer, der weiß, wie schwer das oft ist.

Ein paar ruhige Bühnenmomente braucht er selbst demnächst, wenn er den Fürsten Igor singt, eine Paraderolle des slawischen Repertoires, auf die sich der skrupulöse Interpret intensiv vorbereitet hat, unter anderem, indem er das mythische "Igorlied" gelesen hat, das russische Seitenstück zum deutschen "Nibelungenlied": "In der Rilke-Übersetzung", berichtet der Sänger, "die eine geniale Nachschöpfung ist, aber auch in einer Wort-für-Wort-Übertragung, die viel von der Kraft dieses Textes vermittelt, dessen bilderreiche Sprache Alexander Borodin zu entsprechend farbenprächtiger und ausdrucksvoller Musik inspiriert hat. Es ist ein Text", so der neue Fürst Igor, "der als Mahnung zur nationalen Einigung gedacht ist und Bruderkriege verdammt."

Aufrecht gegen alle Repressalien

Angelpunkt des Geschehens der Oper ist jener Moment, in dem der in Gefangenschaft geratene Fürst beschließt, allen Verlockungen des Konchaks zu widerstehen und in die Heimat zurückzuziehen. "Der Konchak", erklärt Holecek, "will Igor kaufen, durch enorme Großzügigkeit und indem er seinem Gefangenen das Gefühl vermittelt, willkommener Gast zu sein."

Entscheidend bei der Charakterisierung der Figur sei es, "die Aufrichtigkeit zu betonen, die Tatsache, dass sich dieser Mann in der Gefangenschaft nicht kaufen lässt. Er vertritt seinen Standpunkt, auf die Gefahr hin, sich Repressalien auszusetzen."

Igor besitze überdies, so Holecek, "eine enorme Liebesfähigkeit, das ist im Duett mit seiner Frau zu spüren. Er hat Herz. Und dennoch: Sein Aufbruch in den Krieg gegen die Heiden ist eine Machtdemonstration. Es gibt im "Igorlied" eine Passage, in der der Fürst seinen Egoismus eingesteht, in dem er bekennt, dass sein Ruhm auf Leichen aufgebaut ist. Das klingt auch in der Arie kurz an. In allen Figuren einer solchen Oper müssen immer verletzte Ecken sein. Sonst wäre das zu glatt."

Das Stück endet mit Igors Heimkehr, "aber", gibt Holecek zu bedenken, "es wird nicht ausgesprochen, was die Zukunft bringen könnte". Vermutlich geht es zu Ende mit den haltlosen Gelagen, die der Statthalter in Igors Abwesenheit gefeiert hat; doch eine Perspektive für ein künftiges Leben entwirft das Finale nicht. Vielleicht auch, weil Borodins Werk nach eineinhalb Jahrzehnten der Arbeit unvollendet blieb. Jedenfalls hat der geborene Melodiker prachtvolle Arien und vor allem wirkungsvolle Chöre hinterlassen: Massenszenen gehören zur Dramaturgie des Stücks wie die Unklarheit über die Reihenfolge der Mittelakte: "Wir spielen eine Version, die die Simultaneität der Ereignisse verdeutlicht", verrät der Titelheld.

↑DA CAPO