Kirsten Flagstadt

1895 - 1962

Die Norwegerin war das imposante weibliche Gegenüber des machtvollen Heldentenors von Lauritz Melchior - die beiden dominierten fast ein Vierteljahrhundert lang die Wagner-Aufführungen der New Yorker Metropolitan Opera; allein 48 Mal standen sie als Tristan und Isolde auf der Bühne. Die Flagstad konnte dem auch vokal hünenhaften Partner Paroli bieten, wenn auch vielleicht nicht in Sachen expressiver Differenzierungskunst, aber im Verströmen von Wohlklang gegenüber jeglichem Orchesteransturm.
Die besten Momente der Flagstad sind mangels Aufnahmen aus der Glanzzeit nicht überliefert. Doch ist, was sich aus späteren Jahren erhalten hat, in vielen Fällen eindrucksvoll genug, um den Rang dieser Interpretin zu dokumentieren.
Vor allem die New Yorker Fidelio-Aufführung unter Bruno Walter läßt hören, was Flagstad unter Führung eines inspirierenden Dirigenten leisten konnte - da geht es niemals um einzelne Töne oder Phrasen (weder beim Sopran, noch bei den Hörnern!), sondern um eine künstlerische Gesamtleistung; und die ist in diesem Fall beinahe singulär.


Metropolitan Opera, Bruno Walter

Die Flagstad und Furtwängler

Ein eigenes Kapitel ließe sich in diesem Zusammenhang über Kirsten Flagstad und Wilhelm Furtwängler schreiben - schon im Herbst ihrer Karriere gelang der Flagstad eine bewegende, vielschichtige vokale Gestaltung der drei Brünnhilden im Zuge der konzertanten Aufführung des Rings des Nibelungen für die RAI in Rom. Außerdem ist sie die Isolde in der in ihrer Gesamtheit bis heute nicht wirklich egalisierten Tristan-Gesamtaufnahme Furtwänglers mit dem Londoner Philharmonia Orchestra - die allerdings noch einer sensiblen Digitalisierung harrt; bis dato muß man mit den schon für die letzten LP-Wiederauflagen durch barbarische Filtermaßnahmen vollkommen entsinnlichten »Verbesserungen« leben, die mit dem Rauschen allen Glanz wegretuschiert haben.

Strauss' Vier letzte Lieder

Unter Furtwängler sang die Flagstad 1950 die Uraufführung von Richard Strauss' Vier letzten Lieder, was trotz allen technischen Mängeln und einigen fehlenden Passagen eine studierenswerte Aufnahme ergab, als die Flagstad Strauss' Wunschkandidatin für die Lieder war. Das wiederum wirft ein bezeichnendes Licht auf die Wirkungsgeschichte dieser Werkreihe, denn seit den frühen Aufführungen durch Elisabeth Schwarzkopf, sehr detailverliebt, hellstimmig und durchaus manieriert, scheint dieser Musik ein völlig anderer Charakter »zugewiesen«. Die für lyrische Soprane in der Regel viel zu tief liegende Eingangsphrase des ersten Lieds klingt bei der Flagstad jedenfalls so überzeugend wie in keiner späteren Einspielung - dafür »schwindelt« sich die Sängerin über einig der hoch liegenden Passagen; wie überhaupt die Höhe in der durch Aufnahmen dokumentierten Phase ihrer Karriere die Schwachstellen dieser großen Künstlerin genannt werden muß.






DA CAPO