Mojca Erdmann

Keine Angst vor Neuer Musik

Das Ännchen im »Freischütz« an der Wien und eine der Solistinnen im Salzburger Festspiel-»Dionysos«-Projekt, über die Lust am Singen.

Die Presse, 19. April 2010

Das sind doch Probleme, die uns alle angehen", sagt Mojca Erdmann und ist erstaunt über die Frage nach der Bedeutung, die ein Werk wie Carl Maria von Webers "Freischütz" für unsere Zeit haben könnte. "Dass es einer Freundin schlecht geht, dass man versuchen muss, ihr wieder Mut zuzusprechen, sie aufzuheitern", das seien doch auch ganz heutige Situationen, kommentiert die junge Sängerin ihre Partie, das Ännchen, die sie heute, Montag, in der Premiere am Theater an der Wien zu gestalten hat.

Mojca Erdmann scheint der Prototyp der jungen, erfolgreichen Sängergeneration, die dem Musiktheater klassischen Zuschnitts neue Frische vermittelt. Eine Frische, die keineswegs künstlich oktroyiert werden muss, sondern aus dem Genre selbst kommt, so versucht zumindest die Künstlerin das zu vermitteln. Webers Oper handle von Menschen und ihren Fehlern, ihren Nöten und Sorgen - nimmt man das ernst, muss man keine kühnen Volten schlagen, um Neues zu erfinden: "Es ist eine spannende Geschichte. Wir erzählen sie." Opernstar aus dem Kinderchor Oper im Speziellen, Musik so ganz im Allgemeinen sind für Mojca Erdmann seit ihrer Kindheit bestimmende Faktoren: beide Eltern Musiker, der Vater Komponist und Flötist. Da gehört nicht nur das Musizieren, sondern auch die nötige Vorbereitungsarbeit zum täglichen Umgang. Schon als Kind fand Mojca Erdmann das Üben kein bisschen abschreckend: "Es hat mir vermittelt, wie viel Ernsthaftigkeit zur Kunst gehört."

Während die Schwester Ärztin wurde, stand für sie selbst nie in Frage, dass die Musik im Zentrum ihres Leben stehen würde: "Anfangs hätte es auch die Violine sein können", sagt sie. Schon die sechsjährige Geigenschülerin stand aber auch bereits auf der Bühne: "Ich habe im Kinderchor der Hamburgischen Staatsoper angefangen", kommentiert sie, "deshalb war mir die Oper nie fremd". Im Gegenteil. Sich singend auf der Bühne zu bewegen, war das Selbstverständlichste auf der Welt. Und als Komponistentochter hatte Mojca Erdmann auch niemals Berührungsängste mit Neuer Musik. "So viele Neues singe ich ja gar nicht", sagt sie, auf ihr Engagement für die Avantgarde angesprochen, "jedenfalls empfinde ich es nicht so. Die Mischung stimmt." Meisterkomponisten schreiben für sie Zwei bedeutende Zeitgenossen nutzen die Chance, eine brillante junge Interpretin zu haben, jedenfalls konsequent: Erdmann hat denn auch bei ihrem Wiener Liederabend jüngst einen Zyklus Aribert Reimanns vorgestellt, den der "Lear"- und "Medea"-Meister für sie komponiert hat.

Und bei den Salzburger Festspielen wird sie eine der Solistinnen in der Uraufführung von Wolfgang Rihms Musiktheater-Versuch sein, "Dionysos": "Er ist noch nicht ganz fertig", sagt Mojca Erdmann, die es genießt, mit Komponistengrößen dieses Formats zusammenarbeiten zu können: "Aber ich habe Glück", ergänzt sie, "der wichtigste Teil meines Parts ist im ersten Drittel des Werks, und das liegt längst vor".

"Ja", sagt sie auf die Frage nach der Interaktion mit Komponisten, "ich bin mir sicher, dass der Wolfgang oder der Aribert auch etwas ändern würden, wenn ich sie darum bitten würde." Nötig war das bisher nicht: Mojca Erdmann, die brillante Interpretin, ist von technischen Schwierigkeiten nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen...




↑DA CAPO