Sabine Devieilhe
Im Gespräch, 9. Jänner 2018
Feuer und Sentiment
Im Gespräch. Die junge französische Koloratursopranistin Sabine Devieilhe feiert als „Regimentstochter“ ihr Staatsopern-Debüt und erzählt von vokalen Eroberungs-Strategien.
Am Anfang war das Cello. Nicht die Singstimme. „O ja“, sagt Sabine Devieilhe, „ich habe auch immer gesungen. Schon im Kinderchor und da hat man mir auch immer wieder Soli anvertraut, was mich bald dazu gebracht hat, doch auch die Stimme ausbilden zu lassen.“ Perfektionistin ist sie in allen musikalischen Bereichen, aber zuerst war da doch ganz klar die Faszination, die vom Cellospielen ausging.
Das Instrument hat Devieilhe so gründlich studiert, dass sie eine Zeitlang sogar unterrichten konnte. Das war parallel zu ihrem Studium der Musikwissenschaften, das sie – apropos Perfektion – in Rennes absolvierte. Ihre Kenntnis der musikalischen Zusammenhänge ist also theoretisch wie praktisch höchst fundiert. „Es war eine Professorin in Rennes, die mich animiert hat, meine Stimme doch konsequent ausbilden zu lassen. Sie hat mich singen gehört und meinte: Du wirst die Leute glücklich machen.“
Da könnte die Gesangslehrerin recht gehabt haben, mittlerweile hat der Name Devieilhe bei Stimmfetischisten einen guten Klang: Drei wichtige CD-Alben hat die junge Französin bisher veröffentlicht; und steckte dabei ein recht breites Repertoire ab. Mit Alexis Kossenko präsentierte sie bei Erato „Le Grand Théâtre de l'amour“, eine Zusammenstellung von Arien und Szenen aus Bühnenwerken Jean-Philippe Rameaus. Vor kurzem nahm sie mit ihrem Ehemann Raphaël Pichon und dessen Ensemble „Pygmalion“ eine phänomenale Mozart-CD auf, die unter anderem die heikelste Aufgabe enthält, die dieser Komponist je einem Sopran gestellt hat, die Konzertarie „Popoli di Tessaglia“.
Koloratur und Expressivität
Die reicht bis zum hohen G – und das meistert Devieilhe ohne Mühe, ja, sie singt die ganze Arie mit der entsprechenden Verve, die das hochdramatische Stück braucht. Koloratur-Brillanz in Ehren, aber hier geht es um feurigen Bühnen-Ausdruck. Und den beherrscht diese Sängerin offenbar auch; nicht zuletzt eine furiose – vom Orchester auch entsprechend diabolisch vorangetriebene Arie der Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“ gibt beeindruckend Kunde.
Die dritte CD, aufgenommen mit dem Ensemble Le Siècle unter François-Xavier Roth, führt uns in die Welt der Romantik und der frühen Moderne: vom „Haar“-Monolog der Mélisande aus Debussys Oper über Massenet und Igor Strawinskys „Nachtigall“ bringt uns dieses Programm bis hin zu Léo Delibes „Lakmé“, die zu einer Schicksalsrolle der Künstlerin geworden ist.
„Lakmé“ begleitet mich, seit ich das Stück entdeckt habe. Seit 2012 ist kein Jahr vergangen, in dem ich sie nicht irgendwo gesungen habe. Es ist, als wäre diese Partie für meine Stimme komponiert“, schwärmt Devieilhe, „denn da gibt es nicht nur die berühmte Glöckchenarie, die natürlich ein Traumstück für alle Koloratursopranistinnen ist, sondern hier entwickelt sich über zweieinhalb Stunden ein Charakter: Lakmé ist ja nahezu ununterbrochen auf der Szene, und sie muss ihre seelische Verwandlung mit stimmlichen Mitteln deutlich machen.“
Wandlungsfähigkeit braucht es für Sabine Devieilhe auch sonst, sie will ihrem breiten Repertoire treu bleiben und hat auch ihre Vorstellung, wie eine Interpretin zwischen den Stilen zu balancieren lernen kann. „Wir haben ja ein ungeheuer reiches Repertoire zur Verfügung – im Barock reicht es von Rameau bis zu Bach, mit dem ich mich in dieser Saison immer wieder beschäftige. Wir gestalten einen Zyklus mit Bach-Kantaten, und die Arbeit an diesen Werken bedeutet für mich eine ideale Grundlage für alles, was musikhistorisch später im deutschsprachigen Raum komponiert worden ist. Denn natürlich singt man Französisch anders als Italienisch und dieses wieder anders als Deutsch, wo der Gesang viel mehr von der Sprache dominiert wird. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass mir Bach hilft, auch Schönberg zu singen – und Richard Strauss.“
Den Meister des „Rosenkavaliers“ nicht zu vergessen, der für Devieilhe in jüngster Zeit einer der Leitsterne geworden ist. „Ich hatte früher nur die Brentano-Lieder gesungen, aber zuletzt auch die Sophie studiert und arbeite derzeit an der Zerbinetta.“ Das Debüt in „Ariadne auf Naxos“ kommt beim heurigen Festival von Aix-en-Provence – „und die Partie wird mich in wichtige Häuser führen, welche, darf ich noch nicht sagen“.
Spaß für Solisten, Chor und Publikum
Für Wien ist es jetzt einmal Donizettis „Regimentstochter“, „auf die ich mich wirklich freue. Ich habe mir das Video der Wiener Premiere mit Natalie Dessay angeschaut und war begeistert. Ich habe auch mit Regisseur Laurent Pelly über die Produktion gesprochen und er meinte, es sei ursprünglich gar nicht sein Wunsch gewesen, dieses Stück zu machen; aber während der Probenarbeit hat sich das zu einem Hit entwickelt, der den Solisten und dem hier so wichtigen Chor genau so Spaß gemacht hat wie dem Publikum. Und die Partie ist herrlich, denn auch bei Donizetti geht es nicht nur darum, das hohe F sauber zu erwischen, sondern da werden ganz intensive Gefühle transportiert . . .“