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Ileana Cotrubas



Rumänische Sopranistin von herbfrischem Charme, die selbstbewußt-tiefgründige Charakterportraits von Figuren wie Verdis Violetta oder Mozarts Susanna feinnervig zeichnen konnte, über die nötigen, subtil differenzierenden Belcanto-Künste ebenso gebot wie über die Möglichkeit, ihrer Stimme dramatische Nuancen abzutrotzen. Von den Versuchen in der Ära nach der Callas, die Traviata vokal und darstellerisch auszuloten, war jener der Cotrubas mit Sicherheit der vielschichtigste, den lockeren Koloratur-Anforderungen des ersten Akts ebenso angemessen wie den psychologischen Doppelbödigkeiten, die danach folgen.

Für Carlos Kleiber sang die Cotrubas die Violetta viele Male in München, überzeugend an der Seite von Giacomo Aragall und - später - Peter Dvorsky oder Neill Shicoff. Daß Aragall, dessen Alfred in seiner Tiefenschärfe dem kunstvollen Portrait adäquat war, das die Cotrubas von der Violetta zeichnete, im → Plattenstudio durch den prominenteren, aber in dieser Partie weit weniger sensibel agierenden Placido Domingo ersetzt wurde, gehört zu den großen Fehlleistungen der Aufnahmegeschichte.

Die Susanna der Ileana Cotrubas ist im Livemitschnitt der legendären Wiener Figaro-Premiere der Jean-Pierre-Ponnelle-Produktion unter Herbert von Karajans Leitung (1977, Orfeo) glänzend dokumentiert.

Die Buch-Autorin

Zweimal hat Ileana Cotrubas zur Feder gegriffen, um ihrem Unmut über die Entwicklungen des Musik-Busineß im allgemeinen und auf der Opernbühne im besonderen Luft zu machen. Das zweite der Bücher ist im Wiener Verlag »Der Apfel« erschienen und unterzieht die zeitgenössische Musiktheaterszene einer noch viel genaueren Prüfung als je der Platz zuließe, der einem Musikkritiker eingeräumt wird, wenn er sich gegen die Umtriebe des sogenannten Regietheaters zur Wehr zu setzen versucht. Cotrubas zieht eine noch viel kritischere Gesamtbilanz als ein Kritiker es könnte, der ja immer versuchen muß, auch noch in der wirrsten Novität positive Aspekte zu entdecken.

Den Autoren des höchst engagierten Pamphlets namens »Die manipulierte Oper« mangelt es jedenfalls nicht an Kompetenz. Ileana Cotrubas und ihr Ehemann Manfred Ramin bereisen seit den Siebzigerjahren gemeinsam die Welt, sie als Primadonna, die zu den Favoriten der größten Dirigenten jener Ära gehörte, er als Kapellmeister, der sich profund mit den Grundlagen des Musiktheaters auseinandergesetzt hat.

Den beiden kann man nichts vormachen. Sie kennen den Betrieb »von innen« - und sie nennen alle Schindluderdinge beim Namen. Von den Anfängen des Regieterrors bis in die unmittelbare Gegenwart zitieren sie Beispiele von unzureichenden oder willentlich gegen den intendierten Sinn von Text und Partitur gebürsteten Produktionen.

Und sie analysieren auch, was über die Inszenierungen dann in den diversen deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften geschrieben wird. Die - in der Vorwoche an dieser Stelle schon angesprochene - unheilige Allianz von musikalisch inkompetenten Impresarios, völlig unmusikalischen (und oft nicht einmal mit dem Gesangstext vertrauten) Produzenten und des Notenlesens unkundiger Rezensenten nehmen Cotrubas und Ramin gezielt aufs Korn.

Daß selbst der Schreiber dieser Zeilen den Autoren zu wenig deutlich gegen szenische Verballhornungen auftritt, nimmt er gern zur Kenntnis. Die Attacken und analytischen Berichte über die gewählten Fallbeispiele sitzen nämlich allzu punktgenau und sind so schwer zu entkräften wie der Eindruck, daß Publikum und Kulturpolitik längst in einer Falle sitzen.

Utopisch aber der Ausblick: Die künftige Wiener Staatsoperndirektion könnte, so Cotrubas und Ramin, mit »Oper 4.0« einen Ausweg aus der Krise bahnen, ein »Ende der Manipulationen« herbeiführen. Ein Hoffnungsschimmer?

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