Boris CHRISTOFF
* 1919 - 1993
Boris Christoff war einer der herausragenden bulgarischen Sänger, die in der zweiten Hälfte des XX. Jahrhunderts dank volltönender Stimmen Karriere machten. Die Zeitgenossen feierten ihn als Nachfolger Fjodor Schaljapins.
Doch war Christoff in Italien ausgebildet und feierte seine ersten internationalen Erfolge an der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom (1946) und an der Mailänder Scala, wo er im Jahr darauf in einer Auführung von Brahms' Deutschem Requiem zu hören war. Zunächst drohte der beginnenen Kalte Krieg seine Karriere zu bremsen. Die USA verweigerten ihm im Zuge der McCarthy-Hetze die Einreise, obwohl er als Gast anläßlich einer Saison-Eröffnung der Metropolitan Opera angekündigt war. Doch 1956 kam es zu Christoffs Debüt in San Francisco, wofür er seine Lieblingspartie, Mussorgskys Boris Godunow gewählt hatte.
Von dieser Oper gibt es eine legendäre Schallplattenproduktion, für die der Sänger im Studio gleich zweimal sämtliche Baß-Partien aufgenommen hat. Er ist also in der Titelrolle, als Mönch Pimen und als Warlaam zu hören. Wobei der Dreisprung vor allem beim ersten Mal - unter Isay Dobrouwen - erstaunlich gut gelingt: Der Sänger findet tatsächlich Farben und Stimmungsnuancen für die plastische Herausarbeitung alle drei Gestalten. »Ich habe 40 Stimmen für meine 120 Partien«, soll Christoff selbst gesagt haben. Bescheiden war er nie, aber er hatte nicht ganz unrecht...
Aus dem russischen Repertoire hat sich Boris Christoff konsequent nicht nur für die Oper, sondern auch für das Lied-Repertoire eingesetzt und zum Teil sogar Aufnahmen mit Balalaika-Begleitung gemacht.
Von Mussorgsky hat er das gesamte Liedschaffen für Schallplatten aufgenommen. Mehrheitlich begleitet von Gerald Moore verwandeln diese Einspielungen kraft stimmlicher Differenzierungskunst intime Szenen in theatralische Ereignisse.
Die Stimme Boris Christoffs ist absolut unverwechselbar, kernig, spürbar voll unerschöpflicher Entfaltungskraft. Die machtvollen Steigerungen in Rossinis Verleumdungsarie klingen tatsächlich wie der im Text erwähnte Kanonendonner.
Und doch verbat die italienische Schulung durch Riccardo Stracciari dem Sänger stets, die Gesetze der vokalen Linienführung zu mißachten. Christoff hat auch im Furor dramatischer Entladungen immer gesungen, nie gebrüllt.
Klug hat er schon als junger Sänger verstanden, daß Stilsicherheit zu den Grundeigenschaften eines wirklich bedeutenden Interpreten gehört. Daher begab er sich nach seiner italienischen Ausbildungsphase zum Studium des deutschen Repertoires nach Salzburg begeben.
In Italien setzte er im Verdi-Repertoire Maßstäbe. Seine Interpretation des König Philipp in Don Carlos gilt vielen Kennern bis heute als unerreicht in ihrer psychologisch-vokalen Spannweite von der Herrschergeste bis zum zerbrechlichen seelischen Leidenston.
Unerbittlich war Christoff bei den Grenzziehungen in eigener Sache. Aus dem »Don Giovanni« hat er Leporellos »Registerarie« aufgenommen. Die Titelpartie wollte er nicht singen. Sie paßte nicht zur Tessitura seiner Stimme, meinte er - und sagte einem Herbert von Karajan nein.
Trotz erheblicher technischer Mängel der Aufnahme, darf der Livemitschnitt von Verdis »Sizilianischer Vesper« aus dem Teatro Colon in Buenos Aires unter Erich Kleiber von 1953 als besondere Trouvaille im Katalog gelten. Da singt der Baß neben der ebenso in ihrer ersten Blüte stehenden Maria Callas. Und das ist ein Ereignis.
Die Arie des Procida, »O tu Palermo«, galt ohnehin stets als eines der Schlachtrösser von Christoff. Er hat es als Einzelstück gern bei Arien-Recitals gesungen und auch im Studio aufgenommen.
An der Seite der Callas ist Christoff in der (technisch besseren) römischen Rundfunkaufnahme von Wagners »Parsifal« (italienisch gesungen) als Gurnemanz zu hören; rares Beispiel aus diesem Repertpoire, besonders beseelt in den visionären Passagen.