Piero CAPPUCCILLI

Nachruf, »Die Presse« - 5. Juli 2005

Ein Publikums-Idol war der italienische Bariton Piero Cappuccilli seit seinem ersten Wiener Auftritt im Jahr 1966. Damals, im November, gab er ein Gastspiel an der Staatsoper, in dessen Rahmen er sich als Verdi-Spezialist von seltenem Rang präsentierte: Gleich in fünf Partien begeisterte er das Wiener Publikum, das für schöne, zu strahlenden Höhenflügen befähigte Stimmen stets besonders empfänglich und dankbar war.

Als Amonasro (»Aida«), Rigoletto, Carlo (»Macht des Schicksals«), Vater Germont (»Traviata«) und Jago (»Otello«) steckte der Künstler damals gleich die Bandbreite seines expressiven Spektrums ab: Ob dämonische Abgründe oder lyrisch verhaltene Kantilenen, Cappuccillis Stimme vermittelte kraft ihrer Modulationsfähigkeit jeden Ausdruck aufs Bewegendste. Das Wort Singschauspieler war bei ihm jedenfalls stets auf der ersten Silbe zu betonen: Auch die mimische, die gestische Komponente lag bei ihm in der Stimme.

Ein »Hohes B« dacapo

Großer darstellerischer Ambitionen bedurfte es zusätzlich nie - das Auditorium geriet über die vokale Gestaltungskunst dieses Sängers in Euphorie. Einmal, es war anlässlich der Premiere von Verdis »Attila«, brachte Cappuccilli Regie und musikalische Leitung aus dem Konzept. Die Wiener Fangemeinde geriet angesichts eines überraschenden, weil eigentlich im tenoralen Sperrgebiet angesiedelten Spitzentones so in Begeisterungsfuror, dass der Sänger die Cabaletta wiederholen mußte.
Der → Premierenmitschnitt ist auf CD erschienen.

Das war, soweit ich mich erinnere, das einzige Mal in der jüngeren Wiener Aufführungsgeschichte, dass das Publikum eine solche Wiederholung regelrecht erzwang. Ähnliche Aktionen von Tenören waren allesamt vorher mit dem Dirigenten abgesprochen.

Karajans Lieblings-Bariton

Niemand Geringerer als Herbert von Karajan schätzte die Qualitäten des zu kraftvoller Attacke ebenso wie zu verhaltener Phrase befähigten Baritons besonders hoch. Wenn Verdi auf Karajans Festspielprogramm stand, fehlte Cappuccilli nie.

Obwohl er in Wien erst debütiert hatte, als der Direktor Karajan schon zwei Jahre verschwunden war, begleitete er nach Salzburger Triumphen die Rückkehr des Maestro ins Haus am Ring. Im legendären »Troubadour« vom 8. April 1977 war er selbstverständlich der Graf Luna. Er sang - anders als alle damals beteiligten Star-Kollegen - auch die fürs TV arrangierte Wiederholung im Jahr darauf: Auf seinen Bariton wollte der Maestro keinesfalls verzichten.

Das reiche Bühnenleben in allen großen Häusern der Welt beendete jäh ein Unfall, dem eine schmerzvolle Phase der Lethargie folgte. Aus ihr wurde Piero Cappuccilli 75-jährig in Turin erlöst.



Eines der frühesten Dokumente seiner umwerfenden vokalen Präsenz und seiner gut sitzenden Höhe lieferte der Bariton an der Seite von Persönlichkeiten wie Maria Callas und Fiorenza Cossotto in der Studioproduktion von Ponchiellis La Gioconda unter Antonino Votto.

Noch 1979 stellte Cappuccilli in der von Herbert von Karajan dirigierten Premiere von Verdis Don Carlos seine geschmeidige Phrasierungskunst unter Beweis.

↑DA CAPO