Grace BUMBRY
* 1937 in St. Louis
Ihre Jugend fiel noch in die Zeit der schweren Diskriminierungen von Farbigen in den USA. Zwar war das Talent der Tochter eines Eisenbahners offenkundig - sie sang mit enormem Erfolg schon als 17-jährige die kräfteraubende Arie der Eboli aus Verdis Don Carlos, »O don fatale«. Doch das Studium am St. Louis Institute of Music, das sie mit diesem Auftritt eigentlich gewonnen hatte, konnte sie nicht antreten, da man sich an der Hochschule weigerte, eine Schwarze aufzunehmen.
Die »schwarze Venus«
Die Karriere von Grace Bumbry war dennoch nicht aufzuhalten. Als »schwarze Venus« ging sie in die Geschichte ein, als sie bei den Bayreuther Festspielen in Wieland Wagners Tannhäuser-Inszenierung brillierte, umtanzt von der Ballett-Compagnie in Maurice Béjarts »Venusberg-Bacchanal«. Das war 1960, zwei Jahre nach dem Bühnendebüt in Basel.
Ausdruckskraft und sichere Höhe machten es möglich, daß Grace Bumbry zu einer gesuchten Darstellerin von Mezzo- und Sopranpartien wurde. Legendär wurde ihre Carmen bei den Salzburger Festspielen ebenso wie ihre Interpretationen von Rollen wie Salome, Tosca oder Aida.
Der sinnliche Glanz ihres Timbres und das Temperament der Künstlerin werden auch in vielen ihrer Schallplatten-Einspielungen hörbar.
Eine hinreißende Aufnahme von Manuel de Fallas Amor brujo gelang mit dem RSO Berlin unter Lorin Maazel. (DG)
Karajans Carmen-Produktion wurde im Salzburger Festspielhaus auch verfilmt. Bumbrys Partner in dieser Inszenierung waren Mirella Frenni, Jon Vickers und Justino Diaz. (DG) Kritische Hörer bemängeln an Bumbrys Gesang eine gewisse Oberflächlichkeit, eine etwas brachiale Art und Weise, der vokalen Linie Dramatik und Expressivität zu oktroyieren. Namentlich in den Sopranrollen läßt sie einige forcierte Töne hören, die der Schönheit der Stimme keineswegs adäquat sind. Andererseits verrät der Bayreuther Tannhäuser-Mitschnitt, daß das Faszinosum dieser Venus keineswegs nur auf optischen Vorzügen gründete. Und ihre Eboli in Georg Soltis Don Carlos-Aufnahme gehört zu den besten Interpretationen dieser Partie, gelenkig und verschmitzt im »Schleierlied«, furios im Terzett mit Carlos und Posa, nicht minder im vehement attackierten »O don fatale«.