Pavol Breslik
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Ein Tenor für die Liebe und angstvolle Prophetien
Der Publikumsliebling aus Preßburg im Gespräch über langes Herumliegen auf Festspielbühnen, Piepsstimmen, Wiens Opernstehplatz und die Lust, am 1. Mai im Musikverein auch einmal apokalyptisch zu werden.
Die Presse, 28. April 2011
Schrecklich war nur, dass ich 45 Minuten regungslos liegen bleiben musste." Pavol Breslik interpretiert im Resümee seinen höchst erfolgreichen Auftritt bei den Salzburger Osterfestspielen eher als "Auflage".
Und doch: Der Tenor aus Pressburg mit der weichen, leuchtkräftigen Stimme, er ist allen Musikfreunden an diesem Abend aufgefallen und erhielt glänzende Kritiken. Und das in einer Partie, die - wie schon bei seinem Einstand im Salzburger Festspielbezirk als Maler in Alban Bergs "Lulu" - nicht eben zu den angenehmen Dingen des Sängerlebens gehört.
Zunächst dominiert der Hauptmann Narraboth mit seinen lyrischen Hymnen auf die Schönheit der Titelheldin zwar die musikalische Szene in Richard Strauss' "Salome". Doch ziemlich bald muss sich der junge Mann aus Verzweiflung über das mangelnde Interesse, das die Prinzessin ihm entgegenbringt, entleiben.
Im Festspielhaus liegen gelassen
Normalerweise wird er dann wenige Minuten später auf Befehl des Herodes hinausgetragen. Doch Regisseure in unseren Tagen halten sich bekanntermaßen selten an Libretti. Stefan Herheim, Produzent der Salzburger Osterinszenierung, lässt seinen Narraboth bis zum bitteren Ende der Oper auf der Bühne liegen. Breslik: "Ich habe Stefan gesagt: ,In einem normalen Opernhaus, wenn wir zehn Vorstellungen en suite absolvieren müssten, würde ich das nicht tun.'" Zweimal auf der Bühne des Salzburger Großen Festspielhauses liegen zu bleiben, so viel war Breslik das Abenteuer wert.
Jetzt ist er zurück in Wien, wo er demnächst in der Staatsoper erstmals den Don Ottavio in den von Franz Welser-Möst dirigierten Reprisen der Neuinszenierung von Mozarts "Don Giovanni" singen wird. Derzeit probt er aber für eine ganz andere Aufgabe: Am kommenden Sonntag, dem 1. Mai, singt er den Johannes in Franz Schmidts Oratorium "Das Buch mit sieben Siegeln".
Zur Einweihung der neuen Rieger-Orgel im Goldenen Saal erklingen ja etliche Kompositionen, in denen die Orgel eine zentrale Rolle spielt. Das "Buch" ist eine solche. "Ich habe das Stück nicht gekannt", gesteht Breslik freimütig, "aber als Thomas Mittermayer von der Gesellschaft der Musikfreunde mich gefragt hat, ob ich den Tenorpart singen möchte, habe ich nach einem Klavierauszug und einer Aufnahme gefragt. Die CD habe ich dann auf der Fahrt nach Pressburg gehört - und es war Liebe auf den ersten Blick. Oder besser: auf den ersten Ton. Die Noten sind ja eher abschreckend, weil das Werk sehr schwierig ist."
Erstmals die "sieben Siegel"
Die Aufgabe, die der "Evangelist" oder, besser gesagt, der "Apokalyptiker" Johannes bei Franz Schmidt hat, ist vom Komponisten ausdrücklich einem "Heldentenor" zugedacht, was in der Aufführungspraxis meist übergangen wird. Breslik hat auch seine Vermutungen, warum das so ist: "Es gibt in diesem Stück zwar einige Stellen, in denen das orchestrale Klanggewebe sehr dicht ist, etwa beim Kampf des Erzengels Michael mit dem Drachen. Aber andererseits ist sehr viel von der Musik lyrisch angelegt, und ich glaube, dass sich Heldentenöre damit schwertun."
Jedenfalls haben sie's schwerer als er, ein lyrischer Tenor, wie er im Gesangslehrbuch steht, mit den kraftvolleren Passagen. "Es ist ja", sagt Breslik, "herrlich, wenn man seine Stimme einmal loslassen kann. Ich halte es ja mit Brigitte Fassbaender, die gesagt hat, heutzutage werde nicht mehr gesungen, sondern gepiepst. Ich mag die Piepser nicht." Er selbst ist ja das Gegenteil davon und liebt es, wenn er "Dampf ablassen" kann.
Pianissimo singt er oft genug, ob bei Mozart oder Donizetti: Seit seinem Debüt als Nemorino im "Liebestrank" ist Breslik Liebling des Wiener Publikums, das ihn auch als Lenski in Tschaikowskys "Onegin" bewunderte. "Wien ist ja das Mekka der Oper", sagt Breslik und erinnert sich gern daran, dass er als Student begeistert den Wiener Opernstehplatz frequentiert hat.
Mittlerweile ist er gern gesehener Gast an großen Opernhäusern, war Edita Gruberovas Wunschkandidat als Alfred in der konzertanten "Traviata" im Vorjahr im Goldenen Musikvereinssaal.
Neue Leidenschaft: Liederabende
"Diese Rolle kommt demnächst auch auf der Bühne", sagt Breslik und ist im Übrigen froh, "dass bis Ende des Jahres keine neue Partie zu lernen ist." Lieber beschäftigt er sich mit dem Gestalten von Liedprogrammen. Ob Wien, London (Wigmore-Hall) oder Münchens Prinzregenten-Theater, die Veranstalter holen Breslik mehr und mehr auf die Konzertpodien. "Die intime musikalische Zusammenarbeit mit einem Pianisten ist eine neue, tolle Erfahrung für mich."
In Wien gilt es zunächst aber einmal dem Schmidt-Oratorium im Großen Musikvereinssaal. Muss man eigentlich gläubig sein, um einen Text wie jenen, den Schmidt gewählt hat, das letzte Buch des Neuen Testaments, zu singen? "Also, ich bin katholisch erzogen worden", sagt Breslik, "und wenn ich auch sicher nicht einer bin, der jeden Sonntag in die Messe geht, ich bin schon überzeugt, dass es eine Macht über und vor allem in uns gibt, und außerdem bin ich mir sicher, dass man wissen soll, was man singt. Sonst wäre es ja egal, ob man über Kartoffeln singt oder über die Liebe . . ."