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Walter Berry

1929 - 2000

Angelika Kirchschlager und Adrian Eröd, die beiden Namen mögen gleich ganz zu Beginn stehen, denn sie dokumentieren Walter Berrys letzte künstlerische Taten. Seit Jahren war der 1929 in Wien geborene Sänger als Pädagoge tätig und war damit, die genannten Zöglinge beweisen das, so erfolgreich wie über die Jahrzehnte hin als Opernstar.

Walter Berry war wohl das beste Beispiel dafür, daß der Prophet im eigenen Land doch gilt. Mit 21 Jahren war er bereits Mitglied der Wiener Staatsoper. Er hatte an der Wiener Musikakademie studiert und begann sogleich als willkommener Neuling im legendären Ensemble des Theaters an der Wien.

Er war auch dabei, als das Haus am Ring in der kurzen zweiten Ära Karl Böhms wiedereröffnet wurde. Im Rahmen der feierlichen Premierenserie im November 1955 war er bereits der Titelheld in der von Böhm geleiteten Aufführung von Alban Bergs Wozzeck.

Diese Partie sollte ihn sein Leben lang begleiten. Wenn er vom Abgrund sang, den der Mensch für ihn darstellte, dann spürte der Hörer, daß wenige Sänger so tief in diesen vorzudringen wußten wie er. Nur der Barak in Richard Strauss' Frau ohne Schatten sollte später noch als zweite, adäquate Herausforderung das ganze, wirklich das ganze gestalterische Potential dieses Künstlers fordern.

Berry als Wozzeck, Berry als Barak, das war ein Menschenschicksal in warmtimbrierten melodischen Linien, in subtil abschattierten Zwischentönen, aber auch in bescheidenen, niemals outrierten szenischen Gebärden. Berry war ein Sänger, der ganz klassisch mit seiner Stimme packen, verführen, berühren konnte, der kein großes theatralisches Brimborium brauchte, um vollständig die Aufmerksamkeit des Auditoriums auf sich zu ziehen.

Seine Präsenz war freilich auch bei Mozart (Figaro, Leporello, Papageno) von entscheidender Bedeutung. Wie er Pointen setzte - allein das erstaunt-verschmitzte »Susanna« im Gartenakt des Figaro bleibt allen im Ohr, die es hören durften. Das machte ihn auch zum idealen Gestalter komischer Rollen, sei es in der Fledermaus oder etwa in Puccinis Gianni Schicchi, den er mit einem gar nicht geringen Schuß Bosheit zur ätzenden, dann aber wieder ganz zärtlichen Gestalt formte.
Durch und durch Mensch, das war er in allen Bühnen- und Lebenslagen. Hie und da explodierte er und sagte, das war auch liebenswert an ihm, ganz klar seine Meinung. Was zur Folge hatte, daß man ihn zu manchen Zeiten einfach nicht beschäftigte.

Auch das hat er überstanden, und seine Verehrergemeinde, mehr oder weniger identisch mit dem Wiener, nein: mit dem internationalen Opernpublikum, war über jede Wiederbegegnung selig.

Apropos international: Selbstverständlich rief die Met, selbstverständlich riefen alle großen Opernhäuser und Festivals. Und ebenso selbstverständlich war es für ihn, darüber nie zu vergessen, wo er zu Hause war, er betrachtete Wien und Salzburg als die eigentlichen Zentren seiner Kunst, wo er im Verein mit vertrauten Kollegen, dem Dirigenten Böhm etwa oder der Mezzosopranistin Christa Ludwig, die einige Zeit auch privat an seiner Seite lebte, Höchstleistungen erbrachte. Seine Landsleute werden ihm auch diese Treue nie vergessen.

↑DA CAPO