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Belcanto

Rossini, Bellini, Donizetti
- und die große Tradition

Die Belcanto-Ära, das ist in aller Regel die Bezeichnung für die Zeit Gioacchino Rossinis, Vincenzo Bellinis und Gaetano Donizettis in Italien. Doch ist die Bedeutung des Wortes »Belcanto« weitaus umfassender und greift auf die Gesangstradition der italienischen Oper des Barock zurück.
Da waren es die Sänger, die den Stil bestimmten. Schon die Urväter der Oper, Caccini und Peri, definierten um 1600, wie der reich verzierte Sologesang praktiziert werden sollte. Ausgehend von Techniken der Instrumentalmusik bildete sich der Geschmack für die vom Sänger vorzunehmenden Auszierungen der vorgeschriebenen Melodielinien.
Hier galt es zu improvisieren und vor allem Wiederholungen neu und mit reichen Koloraturen zu gestalten.

Die Stimmbeherrschung erforderte höchste Beweglichkeit, Gleichmäßig über alle Register führende Tongebung und äußerste Klangschönheit.

Monteverdi fordert für seinen Ritorno d'Ulisse in patria 1641 eine subtile Mischung aus schlicht-ausdrucksvollem und virtuos verziertem Singen. In der Folge verlangte die Ästhetik voll durchgebildete Stimmen, die Atemtechnik, Verzierungskunst und das sogenannte Messa di voce, das gleichmäßige An- und Abschwellen der Dynamik perfekt beherrschen mußten.
Das förderte den Aufstieg von europaweit berühmten Primadonnen und Primo Uomini, zunächst stets Kastraten.
Die eigentliche Kür des Belcanto bedeutete die Improvisationskunst der Interpreten, die aus den Vorlagen der Komponisten »etwas machen« mußten.
Spätestens mit der auf theatralischen Realismus zielenden Opernreform Glucks, die gegen das eitel ins Kraut geschossene Selbstbewußtsein der Interpreten opponierte, verloren die Sänger dann für einige Zeit ihre Vormachtstellung.
Rossini, der meister des dann als Operngattung so genannten Belcanto legte akribisch fest, wann seine Musik wie verziert werden, wie die Koloraturen genau ausgeführt werden sollten. Die Gestaltungshoheit ging wieder auf die Komponisten über, die freilich die Gesangspartien jeweils im Bewußtsein der Fähigkeiten ihrer Uraufführungssänger notierten.
Die Ideale der ebenmäßigen Stimmführung wurden dann durch das Ausdrucksstreben der Komponisten im XIX. Jahrhundert mehr und mehr zurückgedrängt. Schon Verdi fordert seinen Stimmen immer mehr expressive Nuancierungen ab, geht in seinem Macbeth sogar so weit, von der Primadonna »häßliche« Tongebung zu verlangen, um den Charakter der Lady Macbeth glaubwürdig zu zeichnen.

Im Verismo weiten sich die Ausdrucksmittel bis zum Schrei. Im Umkehrschluß versuchte man der älteren Opern-Literatur dann mit »modernen Mitteln« beizukommen, was der echten Belcanto-Tradition den endgültigen Todesstoß versetzte.

Konsequenterweise verschwanden auch die früher vielgespielten Belcanto-Opern mit wenigen - und dann in der Regel vokal arg malträtierten Ausnahmen von den Spielplänen.

Erst Maria Callas leitete mit ihren epochemachenden Aufnahmen von Werken Rossinis, Bellinis und Donizettis einen Gesinnungswandel ein, der nach dem Tod der Diva erste Früchte zu tragen begann und zu einer Rückbesinnung auf alte Gesangpraktiken - und damit auch wieder auf das entsprechende Repertoire mit sich brachte.

↑DA CAPO