Alessio ARDUINI
Ensemble-Mitglied im Portrait
April 2015
Donizetti statt Excel-Tabellen
Im Gespräch. Staatsoper-Ensemblemitglied Alessio Arduini vor der Premiere des "Don Pasquale" über sein Technikstudium, mutige Anfänge und die Lust an stressfreiem Gesang.
Alessio Arduini ist der Doktor Malatesta in der Neuproduktion von Gaetano Donizettis "Don Pasquale" durch Irina Brook an der Wiener Staatsoper. Der 27-jährige Italiener ist neben Valentina Nafornita der zweite Vertreter des jungen Ensembles des Hauses neben Stargästen vom Format eines Juan Diego Florez und eines Michele Pertusi, der die Titelpartie singt.
Arduini, seit drei Jahren fix an der Staatsoper, kam in Desenzano am Gardasee zur Welt und dachte als Jugendlicher ganz und gar nicht an eine Opernkarriere, wie er im Gespräch während der Probenphase freimütig bekannte. "Ich wollte eigentlich Ingenieur werden", sagt er, "und habe auch ein entsprechendes Studium absolviert." Nebenher freilich pflegte er bereits in universitären Zeiten seinen profunden Bassbariton, denn Musik war für ihn auch immer Teil seines Lebens: "Meine Mutter spielte Klavier und hat auch Kindern Unterricht gegeben. Ich sang im Chor und hörte die Platten meines Vaters." Diese haben ihn in Kontakt mit den großen Arien und Szenen Verdis und Puccinis gebracht, denn der Vater liebt die Oper - und ist ein Verehrer von Luciano Pavarotti.
Operndebüt in Como
Also gab es keineswegs nur Technik für den jungen Alessio, sondern auch Klavierspielen - und bei dieser Gelegenheit dank des Ansporns durch den Klavierlehrer schon die ersten Gesangsversuche. Dann geschah ein Unfall; der junge Mann, der in der Freizeit so viel Sport betrieben hatte, konnte angesichts zahlreicher Knochenbrüche eine Zeit lang gar nicht daran denken, Fußball zu spielen: "Ich dachte, ich werde jedenfalls in einem Büro an einem Schreibtisch arbeiten müssen."
Die Stimme ließ er freilich neben dem Technikstudium ausbilden. Das machte Spaß. Und es fügte sich, dass er gegen Ende der Ausbildungsphase gleichzeitig mit dem Angebot einer großen italienischen Baufirma auch eines von einem Theater bekam. Er bat die Baufirma um Bedenkzeit: "In Como gab ich mein Operndebüt - und damit war die Sache entschieden."
Ein Don Juan von 22 Jahren
Alessio Arduini war 22 Jahre alt, als er erstmals auf die Bretter ging, die seit damals seine Welt bedeuten. Nichts Geringeres als Mozarts Don Giovanni verkörperte er; und im jugendlichen Überschwang schien ihm das ganz und gar nicht mutig oder riskant. "In dem Alter? Ich habe nebenher mein Uni-Examen gemacht und zwischen den Vorstellungen über Excel-Tabellen gebrütet. Das hat mir Kopfzerbrechen bereitet."
Mozart fiel ihm leicht. Den Don Giovanni sang er wenig später auch an wichtigen Häusern, in Bologna oder Venedig. Bei den Salzburger Festspielen war er der Schaunard in er "Boheme"-Produktion an der Seite von Anna Netrebko und Piotr Beczaa. Im Staatsopern-"Giovanni" ist er demnächst Leporello neben Adam Plachetka, der die Titelrolle verkörpern wird (ab 11. Juni). Diese Dienerfigur liebt Arduini ebenso sehr wie den Don Giovanni: "Es ist eine Traumrolle, denn sie wirkt beinah so wichtig und ebenso groß wie die des Titelhelden, und es macht ungeheuer Spaß, weil die Figur so vielschichtig ist."
Freude müsse das Singen machen, sonst hätte der Beruf für Arduini wenig Sinn: "Ich möchte ohne Stress singen. Ich möchte nicht ständig überlegen: Welche Partie wäre für meine Karriere jetzt gut? Wie kann ich es anstellen, sie hier oder da zu singen?" Mit Schrecken denkt er an die Saisoneröffnung am Teatro La Fenice in Venedig zurück: "Da war ich als Don Giovanni angesetzt und krank! Aber ich musste auf die Bühne - und erst bei der dritten Reprise habe ich dann gemerkt, was für ein Unterschied es ist, wenn man endlich wieder gesund ist und alles reibungslos funktioniert! Wenn man krank ist, dann nützt es auch nichts, dass man eine Partie oft und oft gesungen hat und die Stimme sozusagen von selbst weiß, wie es läuft."
Die Chance, sich "stressfrei" zu entwickeln, bietet Arduini sein Engagement an der Wiener Staatsoper jedenfalls. Hier lebt er im Kreis seiner Freunde - "das bedeutet für mich: zu Hause zu sein".