Wie verliere ich meine Stimme?

Franciso Araiza und seine Repertoire-Erweiterungen

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Die Presse, 14. Jänner 1994
Francisco Araiza gab im Konzerthaus anläßlich eines Liederabends Anlaß zu schlimmsten Befürchtungen. Hatten die Unken recht, die ihm angesichts seiner Repertoire-Erweiterung den baldigen Stimmruin prophezeiten?

Nicht, daß dem beliebten Tenor ausgerechnet im letzten Lied eine Höhe jämmerlich abgerissen ist, steht dabei zur Diskussion - sondern das Faktum, daß sich ein solches Mißgeschick, nur äußeres Zeichen einer Stimmkrise, den ganzen Abend lang bedrohlich ankündigte.
Mitten im letzten Abschnitt des Programms bat Araiza seinen aufmerksamen, sensiblen Begleiter Irwin Gage unvermittelt um eine Unterbrechung und verließ das Podium; wohl um eine plötzliche Unpäßlichkeit zu signalisieren. Mag sein, daß der unglückselige Verlauf des Liederabends auf eine herannahende Verkühlung zurückzuführen war, an der dieser Tage manch einer laboriert.

Und doch: Kann so fahles, undifferenziertes, nur mühevoll und mit den Mitteln der Kopfstimme geradezu brachial in Pseudo-Pianobereiche gezwungenes Singen, wie Araiza es an diesem Abend praktiziert hat, Zufall sein? Die ausgewählten Gesänge von Faure und Tosti kannten Differenzierung diesmal nur auf den Klaviertasten. Der Tenor sang hauchig und mit grauem Einheitstimbre.
Und selbst dort, wo er sich bei Richard Strauss in wenigen Passagen zu offener Attacke aufschwang, drohte die Höhe regelmäßig zu versagen. Unsichere, gequetschte, gerade noch absolvierte Töne, nicht der eine, tatsächlich verunglückte, mußten den Zuhörer bedenklich stimmen. Vom einstigen, strahlenden Glanz, von der charaktervollen Traumstimme, die sich aus lyrischen Qualitäten zu kernigen Energieausbrüchen, oder zu subtil farbigem Koloraturzauber aufzuschwingen vermochte, war nichts, aber auch nicht der kleinste Funke zu vernehmen.

Francisco Araiza hat man den stimmlichen Untergang schon prophezeit, als er mit Partien wie dem Faust oder dem Rudolf allzu früh aus seinem angestammten Fach auszubrechen drohte. Mittlerweile hat er den Lohengrin und den Stolzing gesungen. Hoffen wir, daß es eine Eintageskrise war und nicht die Folge dieser Selbstvernichtungspolitik, was die Musikfreunde diesmal in Wien zu hören bekamen.



↑DA CAPO