Erich Kunz

Ein Komödiant, der die Seele zu spiegeln wußte

Die jüngeren Opernfreunde haben Erich Kunz vor allem als Erzkomödianten in Erinnerung. Als jenen quirligen, hintergründigen Charakterdarsteller, als der er noch vor gar nicht allzu langer Zeit Vorstellungen im Haus am Ring veredelte. Da kam es schon manchmal vor, daß der Mesner in Puccinis »Tosca« vom Stichwortbringer zur Hauptfigur avancierte, neben der mancher Tenor vergeblich um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlte. Schon über die ersten Bühnengehversuche des Schülers von Hans Duhan und Theodor Liehammer jubelte die Kritik. Als Papageno war schon der 25jährige »beweglich und witzig«, urteilte das »Neue Wiener Journal«, ein »echtes Bühnentalent mit einem angenehm klingenden, weichen Bariton«. Das war's. Das sollte es bleiben. Die Karriere verlief trotz solch früher Lorbeeren in jenem Rhythmus, der nach wie vor als beste Schule späterer Größen gilt: Kunz verdingte sich in der »Provinz«. Welcher Art diese war, verdeutlicht vielleicht am besten der Name seines ersten Direktors, Franz Stoß. Der arrangierte in Troppau den Spielplan und ließ den Neuling (ein wenig tief beginnend!) als Osmin in der »Entführung aus dem Serail« debütieren. Geboren war damit immerhin der kongeniale Mozart-Sänger, der späterhin allein den Figaro 238 Mal an der Wiener Staatsoper singen sollte und für die Wiener so etwas wie die Inkarnation dieser Rolle werden sollte.

Die »Schicksalspartie«, mit der sich alle großen Karrieresprünge des Künstlers entschieden, war allerdings der Beckmesser in Wagners »Meistersingern«, den Kunz (ab 1943 auch in Bayreuth) zur bestürzend lebensechten Studie machte: Nur wer ihn oberflächlich betrachtete, konnte allein den Komödianten in ihm erkennen. Wer ihm zuhörte und sein Spiel genau beobachtete, entdeckte immer einen ganzen Menschen in Kunz' Figuren, sah und hörte dessen Fehler, Marotten, aber auch dessen Größe, die Singularität. Erich Kunz vermochte, was der Kunst erst ihre Lebensberechtigung gibt: eine Seele zu spiegeln. Da kam ihm auch die Doppelbödigkeit zupaß, die er als waschechter Sohn seiner Stadt im Blut hatte.

Welchen Erich Kunz Opernfreunde immer erlebt haben mögen, das unvergleichliche Mitglied eines unvergleichlichen Mozart-Ensembles oder den späten Charakterdarsteller - sie halten eine Persönlichkeit unverlierbar im Gedächtnis.

DA CAPO