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Carl Seemann

(1910 - 1983)

Carl Seemann stammte aus Bremen, wurde aber geprägt durch die reiche musikalische Tradition seiner Wahlheimatstadt Leipzig. Dort absolvierte er ein Orgel-Studium, währenddessen er bald unter die Obhut der beiden bedeutenden Thomaskantoren Karl Straube und Günther Ramin kam. Doch entpuppte sich das Klavier bald als das faszinierendere Instrument für den jungen Musiker. Mit 25 beschloß er, Pianist zu werden. Daß er sogleich die Aufmerksamkeit von Kennern erregen konnte, lag nicht nur an seinem geschliffenen Spiel, sondern nicht zuletzt daran, daß er in seinen Konzertprogrammen gern Unbekanntes präsentierte. Halb vergessene Schätze wie die Sonaten Scarlattis hob er ebenso wie er Musik junger Zeitgenossen auf seine Programme setzte, darunter Novitäten von Strawinsky, Werke von Karl Amadeus Hartmann, aber auch Musik des originellen → Harald Genzmer.

Die zutiefst antiromantischen ästhetischen Vorstellungen dieser Komponisten-Generation schien auch Seemanns durch und durch »moderner« Klavierstil zu spiegeln: glasklar und strukturbetont. Das machte Seemann in den Augen vieler Kenner zu einem idealen Mozart-Spieler seiner Ära: unverzärtelt und analytisch, also zukunftsweisend aber eminent spielfreudig. Die Gesamtaufnahme der Mozart-Klaviersonaten steht denn auch bis heute ganz oben auf der Rangliste - im Mozart-Katalog ebenso wie in der Diskoraphie des Pianisten, die nach 1945 vor allem bedeutende kammermusikalische Einspielungen nennt: Mit dem Geiger → Wolfgang Schneiderhan einte Seemann eine Duo-Partnerschaft, die einige der schösnten Klasiker-Aufnahmen zeitigte, darunter eine Gesamteinspielung der Beethoven-Violinsonaten für Deutsche Grammophon, deren frühe Pressungen unter Vinyl-Sammlern mittlerweile Kultstatus genießen.

↑DA CAPO