Joseph Joachim, der große Geiger, stand am Beginn der Karriere eines der bedeutendsten Pianisten des XX. Jahrhunderts. Rubinstein war gerade einmal vier Jahre alt, als Joachim an der Berliner Musik-Hochschule seine Musikalität testete. Mit sieben gab er seine ersten Konzerte - und doch behandelten die Elterin das jüngste ihrer sieben Kinder nicht als Wunderkind, sondern ließen ihn in Ruhe studieren. Zunächst in Łódź, dann in Warschau - und »erst« mit zehn in Berlin. Joachim nahm sich seiner an und überwachte den Studienfortschritt - Klavier bei Heinrich Barth, Theorie bei Max Bruch und Robert Kahn.
Das Berlin-Debüt absolvierte Arthur Rubinsteins mit zwölf Jahren: Joachim dirigierte die Aufführung von Mozarts A-Dur-Klavierkonzert, KV 488.
Ferienkurse bei Ignaz Paderewski in in Morges ergänzten die Studien bei Barth, die Rubinstein, von privaten Mäzenen unterstützt, beenden konnten, ehe seine Karriere richtig Fahrt aufnahm.
Dem Deübt in Paris (mit Chopins f-Moll und Saint-Saens g-Moll-Konzert) folgte eine USA-Tournee, wobei beim Debüt in der New Yorker Carnegie Hall wiederum das Saint-Saëns-Konzert, diesmal begleitet vom Philadelphia Orchestra auf dem Programm stand.
Der Ruhm des jungen, charmanten Virtuosen verbreitete sich rasch. Gesellschaftsleben war Rubinstein, der fünf Sprachen fließend beherrschte, in dieser Ära ebenso wichtig wie die Musik. Wenn nicht wichtiger.
Zwar erweiterte er sukzessive sein Repertoire, studierte unter anderem für eine Tournee im Jahr 1912 Karol Szymanowskis Zweite Klaviersonate ein, die er in Wien, Leipzig und Berlin zur Erstaufführung brachte. er absolvierte auch kammermusikalische Auftritte an der Seite so illustrer Partner wie Eugène Ysaÿe, Pablo Casals und Jacques Thibaud.
Doch in den Zwanzigerjahren zog er sich zu Studienzwecken eine Zeitlang aus dem internationalen Konzertleben zurück. Die Ansprüche an sich selbst waren mehr und mehr gestiegen, während ihn die internationale Kritik zum Gegenspieler der bedeutendsten Pianisten seiner Generation stempelte. Es galt, an der Technik zu feilen und die sprichwörtliche Großzügigkeit zu überwinden.
Gefestigt, kehrte Rubinstein aufs Podium zurück - um bis in seine hohen Achtziger zu musizieren.
»Sein« Saint-Saens-Konzert, das er 1939 mit dem Pariser Lamoureux-Orchester erstmals aufgenommen hatte (das seinerzeit aber wegen einiger Schlampereien nicht veröffentlicht wurde), konnte er unter André Previns Leitung noch in den Siebzigerjahren für Video dokumentieren!
In seiner Karriere blieb die Kammermusik viele Jahre lang ebenso wichtig wie die Soloauftritte. Mit Jascha Heifetz und Emanuel Feuermann (den später Gregor Piatigorsky ersetzte) bildete er das von den Verehrern scherzhaft so genannte Million Dollar Trio.
Noch 1961 absolvierte Rubinstein eine Serie von zehn Konzerten ind er New Yorker Carnegie Hall mit einem breiten Repertoire. RCA schnitt die Konzerte mit und konnte zumindest einen Teil der Aufnahmen auf Schallplatten veröffentlichen. Seinen Abschied nahm der Grandseigneur im Juni 1976 gab er im Alter von 87 Jahren in der Londoner Wigmore Hall.
Seine ersten Tonaufnahmen hatte er bereits 1927 gemacht. 94 CDs umfaßt die Edition der sämtlichen autorisierten Aufnahmen, die BMG zur Jahrtausendwende auf den Markt brachte. Sie enthält auch die frühen, spontanen Aufnahmen des Künstlers, die in der Regel weitaus weniger präzis, aber charmanter und musikantischer geraten waren als die mit großem Ernst und ebensolcher Genauigkeit im Studio produzierten Einspielungen der »Reifezeit«.