Noel Mewton-Wood

1922 - 1953

Von Kennern als einer der feinsinnigsten Pianisten seiner Zeit gefeiert, beging Noel Mewton-Wood im Alter von 31 Jahren Selbstmord. Grund dafür waren seine Schuldgefühle: Sein Lebenspartner war kurz zuvor an einem Blinddarmdurchbruch gestorben. Mewton-Wood gab sich selbst die Schuld, die Schmerzen seines Freundes allzu lange ignoriert zu haben. Von der Nervenkrise, in die ihn der Tod des Gefährten stürzte, hat sich der Pianist nicht erholt und vergiftete sich selbst.

Sein Künstlerleben war von tiefen, durch die Musik gefestigten Männerfreundschaften geprägt. Mewton-Wood zählte zum engsten Kreis um den Komponisten Benjamin Britten und dessen Partner Peter Pears, den er hie und da bei Konzertreisen begleitete.

Ein weiterer bedeutender Tenor stand am Beginn von Mewton-Wood allzu kurzer Karriere: Als junge Mann begleitete er den großen, ins Exil getriebenen Richard Tauber auf Konzertreisen durch Großbritannien. Er hatte in seiner australischen Heimat studiert und war als ausgebildeter Pianist und Komponist nach London gegangen, um sich hier an der Royal Academy und privat bei Artur Schnabel weiterzubilden.

Ein Konzert in der Londoner Queen's Hall unter Sir Thomas Beecham brachte mit Beethovens Viertem Klavierkonzert den Durchbruch. Die Kritik pries seinen singenden Ton, der im Mittelsatz perfekt zu Geltung gekommen war, aber auch seine technische Meisterschaft, in rasantem Allegro-Tempo noch fein geschliffene zu phrasieren.

In einer uach nach seinem Tod noch mehrmals aufgelegten Einspielung von Beethovens Viertem Klavierkonzert läßt sich das gut nachvollziehen. Die Aufnahme des Schumann-Konzerts unter Walter Goehr bekam jubelnde Rezensionen, ein Kritiker schrieb:
Mewton-Wood entwickelt sich zu einer Kultfigur. Seine Schumann-Deutung ist so aufregend wie majestätisch - man könnte Tag für Tag lauschen und wäre glücklich damit.

Engagment für die Moderne

Vor allem aber engagierte sich Mewton-Wood für Raritäten - nahm als erster sämtliche Werke Peter Iljitsch Tschaikowskys für Klavier und Orchester auf - und widmete sich konsequent zeitgenössischen Meistern. Schostakowitschs Erstes Klavierkonzert nahm er ebenso für Schallplatten auf wie Strawinskys Concerto für Klavier und Bläser oder das Klavierkonzert von Arthur Bliss, dessen wichtigster Anwalt er nach der Uraufführung war. Zu den bahnbrechenden Leistungen des Interpeten gehören auch die Einspielungen von Hindemiths Ludus tonalis sowie von Ferruccio Busonis komplexer Fantasie contrappuntiscia und von dessen Klavierkonzert, denen er noch eine Aufnahme der Zweiten Violinsonate mit Max Rostal folgen ließ.

Benjamin Britten bat Mewton-Wood, sein Klavierkonzert ein zweites Mal aus der Taufe zu heben, nachdem er die Partitur gründlich umgearbeitet hatte. Britten schrieb für den Freund nach dessen Suizid das dritte seiner fünf Canticles, »Still Falls the Rain«, op. 55, für Tenor, Horn und Klavier.

Als schillernde, unglückliche Figur ist der Künstler in die Literatur eingegangen. Die Autorin Sonia Orchard veröffentlichte 2009 nach intensiven Recherchen bei Menschen, die Mewton-Wood erlebt hatten, den Roman The Virtuoso.

Parallel zu seiner Pianisten-Karriere komponierte Mewton-Wood Filmmusik.

↑DA CAPO