Igor Levit

* 1987

Deutschlands Pianistenwunder des XXI. Jahrhunderts: geistsprühende Virtuosität.

Er kam in Nischnij-Nowgorod zur Welt, lebte aber seit Kindheitstagen in Hannover und studierte dort - nicht ohne eminente Integrationsprobleme, wie er später gestand - an der Musikhochschule Klavier. Der Emigrant wurde deutscher Staatbürger - und nicht zuletzt eine hymnische Kritik der damaligen FAZ-Kritikerin Elonore Büning, die ihn als Teenager bereits unter die bedeutendsten Pianisten reihte, machte ihn schlagartig berühmt.

Igor Levit hat es geschafft, diesem frühen Ruhm zum Trotz seine Pianistenkarriere von falschem, mit lediglich technischer Brillanz erreichten Star-Flitter freizuhalten. Seine Programme scheinen stets ausgeklügelt, seine Interpretationen zeugen von tiefem Verständnis für den Gehalt der Musik. Die makellose Technik ist lediglich Voraussetzung. Levit fängt da an, wo andere im besten Fall aufhören.

Daß er zudem gern politische Statements abgibt, daran hat sich sein Publikum gewöhnt. Er sieht das als wichtigen Teil seiner Künstlerpersönlichkeit.
Im weitesten Sinn waren es auch politische Statements, daß er in den Zeiten, in denen während der sogenannten Corona-Pandemie der Jahre 2020/21, als das öffentliche Leben in aller Welt zum Stillstand kam, via Social Media allabendlich Konzerte aus seinem Wohnzimmer streamte. Mit täglich wechselnden Programmen. Selbst der deutsche Bundespräsident würdigte das, indem er den Künstler eines Abends von seiner Residenz im Berliner Schloß Bellevue aus streamen ließ.

Es wäre nicht Igor Levit gewesen, hätter er sich in diesem Rahmen nicht auch an eines der extremsten Werke der Musikgeschichte gewagt: Erik Saties Vexations, unzählige Wiederholungen der immergleichen, wenigen Takte Musik, die sich über 15 Stunden erstrecken, absolvierte Levit - → vor Kameras eines Streamingsdienstes - pausenlos in der Nacht vom 30. auf 31. Mai 2020.

Als die Zeiten wieder lockerer wurden, veröffentlichte Levit sein erstes Buch, das in der Zeit des Lockdowns entstanden war - und gab der »Presse« im April 2021 ein Interview.


ZUM INTERVIEW


Aufnahmen

Ein Exklusivvertrag mit Sony ermöglichte Igor Levit schon früh, große Projekte zu verwirklichen. Eine Gesamtaufnahme der Klaviersonaten Ludwig van Beethovens wurde zu einer der bedeutendsten Darstellungen dieses Werk-Zyklus in der jüngeren Aufnahmegeschichte.

Und die Edition mit drei CDs mit großformatigen Variationszyklen vereint, Bachs Goldbergvariationen, Beethovens Diabelli-Variationen und Rzewskis The People United erwies den ausgreifenden Repertoirebegriff des damals 28jährigen Pianisten - und nebenbei auch die politische Dimension, die er seiner Kunst geben möchte.
Die Diabelli-Variationen standen übrigens bereits beim Abschlußkonzert von Levits Klavierstudium auf dem Programm: Er erreichte damit die höchste Punktezahl, die von der Jury je für einen Absolventen der Hannoveraner Hochschule vergeben worden waren . . .

Neun Jahre später, 2019, wurde Levit selbst Professor an diesem Institut.

↑DA CAPO