Joyce Hatto


»Fake News« auf CD

Es war einer der unglaublichsten Fälschungs-Krimis der Interpretations-Geschichte. Bis Mitte der Achtzigerjahre war der Aufnahmekatalog der Pianistin Joyce Hatto in erstaunlicher Vielfalt angewachsen. Dann kam die Digital-Technologie und die Fähigkeit der Computer, eine CD zu identifizieren. Dabei stellte sich heraus, daß Aufnahmen, die unter Hattos Namen herausgebracht worden waren, von anderen Pianisten stammten. Was zunächst nach Einzel-Erscheinungen aussah, entpuppte sich als der wohl größte Schwindel, den die Klassik-Branche je gesehen hatte.

Hattos Ehemann, William Barrington-Coupe, hatte in seinem Tonstudio in Royston (Herfordshire) mehr als 100 Aufnahmen teils vergessener, teils renommierter Pianisten regelrecht geplündert, sie ein wenig verfremdet und zuweilen im Tempo leicht verändert.

Die Legende wurde in die Welt gesetzt, Hatto hätte in frühen Jahren unter Dirigenten wie Furtwängler und de Sabata musiziert und Furtwängler sei von ihrer Wiedergabe von Beethovens »Hammerklaviersonate« begeistert gewesen.

Offenbar stimmte nichts von alledem. Hatto war in ihren letzten Jahren schwer krank und erlag 2007 ihrem Krebsleiden. In den Jahren davor hatte ihr Mann CDs mit einem immensen Repertoire, das von Bachs Goldberg-Variationen bis zu Messiaens Vingt regards reichte, auf den Markt gebracht; darunter etwa überarbeitete Versionen von Ingrid Haeblers Gesamtaufnahme der Mozart-Klaviersonaten und einigen Etüden »über die Chopin-Etüden« von Leopold Godowski - eine besonders dreiste Aktion, denn diese Stücke gelten nicht nur als immens schwierig, sondern liegen nur in ganz wenigen Einspielungen vor; sie wurden bald als Aufnahmen des Italieners Carlo Grante identifiziert. Doch flog der Schwindel erst einige Monate nach Hattos Tod auf. Rezensenten der Zeitschrift »Gramophone« hatten allerdings längst Bedenken angemeldet - nachdem jahrelang hymnische Rezensionen in den Fachzeitrschriften erschienen waren (zum Teil erhielten Aufnahmen, deren Originale verrissen worden waren nun lobende Rezensionen); und niemand hinterfragte, warum niemand Hatto je live gehört hatte und wo genau die Aufnahmen entstanden sein sollen; vor allem auch: wer der Dirigent René Köhler gewesen sein soll, mit dem Hatto den Großteil ihrer Orchesteraufnahmen gemacht haben sollte. (Auch für ihn hatte ihr Ehemann einen abenteuerlichen Lebenslauf erfunden, nicht davor zurückschreckend, ihn als Überlebenden der Shoah auszugeben . . .)

Eine einzige Aufnahme, die Hatto hinterlassen hat, soll echt sein: Sie gilt einem Variationszyklus von Arnold Bax.



DA CAPO