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Clara Haskil

1895-1960

Urteile über Clara Haskil:
Die Summe der Perfektion auf Erden

Dinu Lipatti

Die vollkommene Clara Haskil

Rudolf Serkin

Eine Heilige am Klavier

Joachim Kaiser

Ihr Talent überragt das all ihrer pianistischen Zeitgenossen

Leopold Stokowksi

In Bukarest kam Clara Haskil als Tochter sephardischer Juden zur Welt. Musikalisch waren alle Kinder im Haus. Schwester Jeanne wurde später Geigerin in eine Pariser Orchester und durchlebte an der Seite ihrer Schwester die schwere Zeit der Okkupation Frankreichs in Marseille. Doch Clara war ein veritables Wunderkind, konnte Musik, die sie einmal gehört hatte, fehlerfrei auf dem Klavier wiedergeben - und soll noch Jahrzehnte später quasi über Nacht Werke wie Brahms' Zweites Klavierkonzert auftrittsreif gelernt haben...

Mit sechs Jahren schickte man das Mädchen nach Wien. Sie studierte bei Richard Robert, der nach ihr unter anderem auch Musiker wie Rudolf Serkin oder Geroge Szell ausbildete. Robert war ein »Urenkelschüler« Mozarts; und die Musik Mozarts stand für die zarte Clara Haskil aus Bukarest auch zeitlebens im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit - was in Zeiten etwas heißen sollte, in denen berühmte Pianisten um die Musik dieses Komponisten einen Bogen machten. Man spielte Chopin und Tschaikowsky, Liszt und Rachmaninow; aber jene Musik, die zu Haskils Domäne werden sollte, die Werke Mozarts oder Schuberts, gehört kaum zum großen Repertoirekanon.

Clara Haskil aber debütierte als Achtjährige mit Mozarts A-Dur-Klavierkonzert (KV 488), das sie ein Leben lang begleiten sollte.

Ein Onkel führte die junge Künstlerin, die von ihrem Teenageralter an an Skoliose litt und von dieser Krankheit später gezeichnet war, nach Paris. Dort studierte Haskil Violine und Klavier am Conservatoire und absolvierte die Ausbildung bei Alfred Cortot mit einem Ersten Preis - in der Jury saßen unter anderen Gabriel Fauré und Moriz Moskzkowski.

Da war Haskil 16 Jahre alt. Im Jahr darauf hörte Ferruccio Busoni sie sein Arrangement von Bachs Chaconne spielen und bot ihr an, sie in seine Berliner Meisterklasse aufzunehmen. Doch da war die Mutter dagegen. Sie fand, Clara sei für eine solche Herausforderung einfach zu jung.

Überdies wurde bald eine Behandlung der Skoliose nötig, die die junge Frau jahrelang in ein Gipskorsett zwang. Der Erste Weltkrieg machte eine Pianistenkarriere überdies undenkbar. Erst Anfang der Zwanzigerjahre, die Mutter war 1918 gestorben, konnte Clara Haskil wieder daran denken, öffentlich aufzutreten. Sie wurde zu einer gesuchten Klavierpartnerin für Interpreten wie Pau Casals, Eugene Ysaye oder Georges Enescu - und freundete sich mit dem Pianistenkollegen Dinu Lipatti an.

Der Zweite Weltkrieg bedeutete wiederum eine Zäsur. Eine Tumoroperation zwang Haskil überdies 1942 zu einer Pause.

Und sie hatte ihren 50. Geburtstag längst gefeiert, als sie ihren ersten Schallplattenvertrag unterschrieb. Für Kenner unter den europäischen Musikfreunden war sie zwar längst eine Legende, doch erst die Aufnahmetätigkeit ihrer letzten Lebensjahre machte die Haskil international berühmt. Ein Dirigent wie Herbert von Karajan buhlte nach Aufhebung seines Dirigierverbots durch die Alliierten geradezu um die Gunst der Pianistin und versuchte so oft wie möglich mit ihr zu konzertieren. Ein Livemitschnitt einer besonders schönen Aufführung von Mozarts A-Dur-Klavierkonzert (KV 488), Haskils lebenslangem Herzensanliegen, mit dem Philharmonia Orchestra, 1955, hat sich erhalten (ica).

Studioaufnahmen wie jene von Schumanns Waldszenen, Schuberts B-Dur-Sonate oder einiger Sonaten von Scarlatti gelten bis heute als Dokumente verinnerlichter interpretatorischer Kunst, die äußerste Klarheit mit höchster Poesie zu verknüpfen verstand. Das Schumann-Klavierkonzert (unter Willem van Otterloo) und das f-Moll-Konzert Chopins (unter Igor Markevitch) gehören zu den Aufnahme-Klassikern wie ihre kammermusikalischen → Einspielungen mit dem Geiger Arthur Grumiaux (Mozart und Beethoven), ziemlich die einzigen Aufnahmen, an denen sie selbst, stets selbstkritisch, nichts auszusetzen hatte.

An Grumiaux' Seite absolvierte die Haskil auch ihr letztes Konzert - anläßlich der gemeinsamen Mozart-Tournee stürzte sie, 66jährig, auf dem Bahnhofsplatz von Brüssel - die Operation, die daraufhin notwendig wurde, hat sie nicht überlebt.

Ihre schweizerische Wahlheimat ehrt sie seit 1963 mit der Abhaltung des Clara-Haskil-Klavierwettbewerbs, der zu den angesehensten Veranstaltungen dieser Art gehört.

DA CAPO