Leonid Brumberg

28. April 1992

Liszt-Abend im Konzerthaus

Der Wahlwiener Leonid Brumberg spielte im Mozartsaal einen Abend lang Liszt. Zwischen eigenwilligen und/oder skurrilen Bearbeitungen eigener und fremder Werke die h-Moll-Sonate, ein Gipfelwerk der romantischen Klavierliteratur. Und eines der rätselhaftesten dazu, wie Brumbergs introvertiertes, oft beinahe verstörendes Spiel beweist.

Der russische Virtuose schlüsselt die Entwicklungen in dem riesenhaften Einzelsatz nicht auf die übliche Weise, in große, architektonisch klar gegliederte Blöcke auf. Vielmehr setzt er wie traumwandlerisch Versatzstück an Versatzstück, erlebt Liszts Phantasien über immer ein und dasselbe Motiv oft als jäh, unvermittelt, bestürzend radikal wechselnde Stimmungslandschaften. Auch dort, wo weitgespannte Kantilenen Schwelgerei nahelegen, bleibt Brumberg vorsichtig. Als ob jeden Moment die Katastrophe über die scheinbare Ruhe hereinbrechen könnte.

Das hält den Hörer in Atem, fordert ihn zur unausgesetzten Konzentration, zum neuen Durchleben der musikalischen Erzählung. Daß da auch enorme Virtuosität im Spiel ist, nimmt man nicht einmal als bemerkenswerten Nebeneffekt zur Kenntnis. Brumberg setzt sie für sich voraus, verschwendet keine Sekunde an die Zurschaustellung technischer Brillanz. Er macht Musik. Das Publikum gibt sich dem willig hin und reagiert entsprechend enthusiasmiert.




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