Einer der großen Geiger seiner Zeit, aber - ungewöhnlich genug - auch ein Freund der zeitgenössischen Musik seiner Ära: Joseph Szigeti kämpfte an führender Stelle für die Durchsetzung von Werken Debussys und Ravels, Honeggers und Roussels, aber auch avancierterer Meister wie Milhaud und Strawinsky, Busoni, Alban Berg oder Frank Martin.
Szigeti war es auch, der Komponisten, die ihre eigenen Interpreten waren, ins Schallplattenstudio verführte: Béla Bartók und Igor Strawinsky haben Aufnahmen mit ihm gemacht.
Berühmt war Szigeti für seinen singenden Ton, der Melodien durchaus auch durch kräftigen Gebrauch des Portamento zu binden wußte. Auch Neue Musik spielte er mit diesem Gefühl für Klangschönheit, der er freilich stets rhythmische Pointiertheit und prägnante Artikulation hinzugesellte. Im Spiel mit Orchester und als Kammermusiker band er sein Spiel stets harmonisch ins musikalische Ganze ein. Durchdringende Brillanz war nicht seine Sache, er galt als »Virtuose für intelligente Hörer«.
Der Meisterschüler von Jenö Hubay, im September 1892 in Budapest zur Welt gekommen als József Singer, wählte seinen Namen nach Mármaros-Sziget in den ungarischen Karpaten, wo er seine Jugend verbracht hatte. Die Familie war musikalisch, schon der Onkel hatte bei Hubay studiert und musizierte in großen Orchestern in Frankreich und den USA, der Vater leitete ein Kaffeehaus-Orchester, ein weiter Onkel war Kontrabaßist und gab seinem Neffen Jóska die ersten Unterrichtsstunden.
Szigeti war elf, als er in Hubays Klasse an der Budapester Liszt Akademie kam. Mit 13 debütierte er in Berlin, danach in Budapest und in London. Der Verlockung, zum greisen Joseph Joachim, dem Lehrer Hubays zu geben, widerstand er nach einer klärenden Aussprache. Seine Bogentechnik ging jedoch auf Joachims Einfluß zurück.
England war ab 1907 seine Wahlheimat, Sir Thomas Beecham sein bevorzugter Dirigent. Eine schwere Tuberkulose-Erkrankung zwang ihn zu einer Pause. Ab verbrachte Jahre in Schweizer Sanatorien und arbeitete dort an seiner Spieltechnik. Vor allem feilte er an seinem, von Hubay ererbten breiten Vibrato, um es sparsamer einzusetzen und intonationssicherer zu machen.
Ab 1917 unterrichtete er in Genf. Regelmäßige Gastspiele führten ihn nach Berlin, wo er unter anderem unter der Leitung von Fritz Reiner mit den Philharmonikern konzertierte, in die Sowjetunion und in die USA. Das Debüt in Philadelphia in einem Konzert unter Leopold Stokowskis Leitung besiegelte 1925 seinen Weltruhm. Seine Frau Wanda stammte aus Rußland. Mit der Tochter Irène lebte das Paar während der Zwischenkriegszeit in Paris. Der junge Nikita Magaloff war der bevorzugte Klavierpartner.
Mit dem Komponisten Béla Bartók verband Szigeti eine lange künstlerischer Partnerschaft. Die beiden konzertierten miteinander - unter anderem mit den von Szigeti bearbeiteten Stücken aus Bartóks Für Kinder. Neben Bartóks eigenen Werken galt die Aufnahmetätigkeit unter anderem auch Werken wie → Beethovens Kreutzersonate oder → Debussys Violinsonate.
Szigeti präsentierte bereits 1927 Bartóks Zweite Violinsonate in den USA.
1931 reiste Szigeti nach Fernost, was damals noch für eminentes Aufsehen sorgte.
Szigeti war an der Seite von Benny Goodman und dem Pianisten Egon Petri der Uraufführungs-Interpret von Béla Bartóks Trio Contrasts, 1939. Das Werk musiziert er mit Goodman und dem Komponisten auch nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten, 1940, in New York. Dabei entstand eine legendäre Schallplattenaufnahme (CBS), mit der Szigeti seine gemeinsamen Produktionen mit dem Komponisten - unter anderem nahmen die beiden neben Werken von Bartók selbst auch Sonaten von Beethoven und Debussy auf.
Ein legendärer Beethoven-Zyklus mit dem Pianisten Claudio Arrau, 1944 in der Library of Congress, markierte sozusagen den verfrühten Auftakt zu Szigetis Nachkriegs-Karriere: Er konnte an frühere Erfolge anschließen und musizierte mit Klavierpartnern wie Artur Schnabel oder Mieczyslaw Horszowksi.
Szigeti nahm nach Anfang der Fünfzigerjahre Kammermusik mit Myra Hess und Pablo Casals auf und beendete seine Laufbahn 1954 in London.
Wie ein Menetekel mochte es auf das Publikum wirken, daß bei Szigetis letztem Konzert die G-Saite riß . . .
Der Künstler lebte noch zwei Jahrzehnte lang zurückgezogen, widmete sich dem Schreiben und saß hin und wieder bei renommierten Wettbewerben in der Jury. Er starb 1973 in Luzern.