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Ruggiero Ricci

1918 - 1966

Wunderkinder? Am besten samt ihren Eltern an die Wand stellen, dann wäre Ruhe. - Also sprach ein Mann, der wußte wovon er sprach, weil er als Wunderkind Karriere gemacht hatte. Die Einsicht Ruggiero Riccis kam spät, in jener Phase, da er als gesuchter Geigenlehrer an der New Yorker Juilliard School und (von 1989 bis 2002) am Salzburger Mozarteum wirkte.

Ricci, in Amerika als Sohn italienischer Einwanderer geboren, war elf Jahre alt, als er das Mendelssohn-Konzert in der New Yorker Carnegie Hall spielen durfte. Seine Technik war damals bereits makellos und seine Fähigkeit, einen leuchtenden, vielfarbig differenzierbaren Klang zu entwickeln, wurde bald zu äußerster Perfektion gesteigert. Riccis erster Auftritt in Europa fand 1932 in der Berliner Philharmonie statt und wurde als kleine Sensation gefeiert:

Etwas Geniehaftess steckt in dem blassen, unaffektiert und unbeholfen auftretenden Jungen, Stupend vor allem die Souveränität der Technik, die sich in werken wie Vieuxtemps' a-Moll-Konzert op. 37, im Perpetuum mobile von Ries usw. kundtat, sowie der schönem, glanzvolle, runde Ton. Daß er demgegenüber Bachs Partita in e-Moll Nr. 6 innerlich noch nicht voll gewachsen war, kann niemanden, der nicht Unmögliches erwartet, in Erstaunen setzen.
Das Berliner Tagblatt meinte damals Ricci sei
kein Wunderkind im geläufigen Sinne, keine Treibhausatmosphäre, sondern Selbstverständlichkeit, Unbegreiflichkeit des echten Künstlers, Ausschwingen einer jungen Seele in blühenden Kantilenen und rhythmischem Pulsierungsdrang.

»Hemmungslos«

Anläßlich eines weiteren Auftritts in Berlin sechs Jahre später beschrieb ein Rezensent die Kunst des nun Zwanzigjährigen als
ohne jede Hemmung, ganz mit innrem Erleben und verblüffender technischer Fertigkeit gebracht.
Paganinis Capricen meisterte er mühelos und machte für Decca eine legendäre Aufnahme davon.

Wie dieser Geiger seinen leuchkräftigen Ton leidenschaftlich aufladen konnte, hört man etwa in dem atemberaubenden Mitschnitt einer Aufführung des Sibelius-Konzerts in Boston, wo er im Verein mit dem kongenialen Charles Munch im Adagio schier unendliche Melodiebögen von nie erlahmender Intensität spannt. Wobei Riccis Aufnahme allesamt seine klare Bevorzugung des leuchkräftigen Tons vor rhythmischer Akkuratesse bezeugen. Zur Entfaltung aller farblichen Nuancen nahm sich Ricci stets Zeit - hie und da ein wenig mehr als vom Komponisten vorgesehen. Die schon beim Kinderstar bemerkte Liebe zur Tonschönheit blieb ihm jedenfalls bis zuletzt erhalten.


↑DA CAPO