☰ 

Rainer Küchl

* 1951

Vortrag zum 70. Geburtstag anläßlich eines Festkonzertes in Waidhofen/Ybbs.

Hommage an Rainer Küchl

Es ist viel die Rede vom „Musikland Österreich“ und dessen, nach Noten berechnet, ganz besonderer Stellung in der Welt.

Aber, bei aller Besonderheit, ein Konzert des städtischen Kammerorchesters, dirigiert vom Parlamentspräsidenten, musiziert vom Wiener philharmonischen Konzertmeister zur Feier seines eigenen, runden Geburtstags, einbegleitet von einer eigens dafür komponierten Festfanfare aus der Feder seines Bruders - und alle miteinander sind sie „Einheimische“: Das gibt es nur in Waidhofen.

Daran kann nicht einmal der Wiener Musikkritiker rütteln. Wenn er auch bescheiden einwerfen möchte, daß Rainer Küchl bei dieser Gelegenheit ein Stück wienerischer Musikkultur ins Mostviertel mitbringt. Vielleicht sollte man sogar sagen: zurückbringt. Wie auch immer: Rainer Küchl hat es geschafft, der längstdienende Konzertmeister der Wiener Philharmoniker zu werden. Es gehört zu den österreichischen Musik-Legenden, daß er es als Zwanzigjähriger junger Bursche geschafft hat, den großen Willi Boskovsky zu beerben. Und noch viel legendärer: Er kam zum Probespiel, das er dann so glänzend absolviert hat, zu spät! Nur die Intervention eines Kollegen hat es ermöglicht, daß er dennoch an die Reihe kam.

Was zeigt: Interventionen im richtigen Moment haben ihr Gutes.

Noch viele andere Lehren konnte man aus dem Wirken Rainer Küchls bald ziehen. Viele Antworten auf die Frage, was in der Musik richtig oder falsch ist, zum Beispiel. Falsch, um es kurz zu machen, kann es sein, im entscheidenden Moment „richtig“ zu spielen. Was ein echter philharmonischer Konzertmeister ist, der weiß, daß die Wahrheit nicht in den Noten steht - zumindest nicht nur. Da gibt es vieles, was drumherum noch gewußt werden kann und geahnt werden muß. Gespürt, könnte man auch sagen.

Und diesbezüglich war auf Rainer Küchl über die Jahrzehnte hin immer Verlaß. Langgediente Musikfreunde, die ihre Lieblingsopern in und auswendig kennen, die merken, wenn sich in einer Opernaufführung eine kleine Katastrophe anzubahnen beginnt, weil auf der Bühne irgendeiner gerade auszusteigen beginnt, haben von den Rängen herunter seit den Siebzigerjahren in der Wiener Staatsoper stets einen verstohlenen Blick in den Orchestergraben geworfen: Saß der Rainer Küchl dort, konnten sie sich wieder ruhig zurücklehnen. Ganz egal, wer dirigiert hat: Im Ernstfall haben sich die Musikerkollegen an ihrem Konzertmeister orientiert. Dieses instinktive aufeinander Hören kultiviert zu haben, war dann auch die Force des Kammermusikers Rainer Küchl: Mit seinem Streichquartett, das in fernen Landen auch als „Musikvereinsquartett“ berühmt wurde, las er auch in den intimen Werken der Wiener Klassiker und der großen Romantiker zwischen den Zeilen und kultivierte jenen unverwechselbaren Stil, bei dem eine Musik nur dann wirkliche „eine Melodie hat“, wenn auch die Begleitfiguren mit dem rechten rhythmischen Gusto akzentuiert werden.

Das Wissen um solche Wahrheiten schwang in Küchls Spiel immer mit. Das haben auch die Amerikaner gespürt und die Japaner vor allem, bei denen er so oft zu Gast war. Deshalb attestiert man dem Geiger wie dem Lehrer Rainer Küchl allenthalben: Er ist der kundigste Botschafter der Wiener Musizierkultur.

In Wirklichkeit spielt er, wir werden es heute beim Beethoven-Konzert wieder hören, musikalisch-internationales Waidhofnerisch. Aber das bleibt unser Geheimnis.

↑DA CAPO