Er stammte aus Wilna, begann mit drei Jahren Violine zu studieren und spielte mit sechs das Mendelssohn-Konzert. Ab seinem 10. Lebensjahr wurde er vom legendären Leopold Auer unterrichtet. Mit 13 spielte Jascha Heifetz bereits mit den Berliner Philharmoniker unter Arthur Nikisch das Tschaikowsky-Konzert.
1917 wanderte er angesichts der russischen Revolution in die USA aus. Für Kenner war er damals bereits der beste Geiger der Welt. Carl Flesch, nicht eben zimperlich, wenn es darum ging, Kollegen zu kritisieren, meinte über Heifetz:
Es hat wohl kaum jemals einen Geiger gegeben, der der absoluten Vollkommenheit näher gekommen ist.
George Bernard Shaw, der Spötter, hat den jungen Heifetz noch hören können und sagte ihm angeblich:
Junger Mann, versprechen Sie mir, jeden Abend vor dem Schlafengehen einen falschen Ton zu spielen!
In deutschsprachigen Landen hat Heifetz nach 1933 nicht mehr konzertiert. Ausnahmen machte er - etwa 1949 im Berliner Titania-Palast - für amerikanische GIs. Deutschen war der Zutritt zu diesen Konzerten verwehrt. Die einzige Gelegenheit, ihr Idol nicht nur hören, sondern auch sehen zu können, bestand für Musikfreunde in Deutschland und Österreich, die nicht reisen konnten, in einem Kinobesuch: Für den Film Of Men and Music spielte Heifetz mit seinem langjährigen Begleiter Emmanuel Bay 1950 Wieniawskis Polonaise brillante vor Kameras.
Zu seinen Kammermusikpartnern zählte über Jahre auch Artur Rubinstein, der Heifetz' Spiel nicht ganz unkritisch gegenüberstand, dieses aber trefflich zu charakterisieren wußte, wenn er über seine Erstbegegnung mit dem Geiger anmerkte:
Ich besuchte ein Konzert des 18-jährigen Jascha Heifetz, der ungeheuren Erfolg hatte. Sein schöner starker Ton entzückte mich ebenso wie seine perfekte Intonation und seine unvorstellbare Virtuosität, dies alles mit so überlegener Geste geboten, daß man den Eindruck gewann, er könnte unmöglich weniger leisten. Sein Auftreten war allerdings von einer gewissen Kühle, und man zollte ihm zwar in den kommenden Jahren unweigerlich stärksten Beifall, doch warm wurde sein Publikum nicht mit ihm.
Den kritischen Nachsatz unterschrieben Heifetz-Kritiker in der Folge gern. Doch konnte das dem Ruhm des Künstlers nicht schaden. Anfang der Siebzigerjahre zog sich Heifetz von den internationalen Podien zurück. Er lebte noch eineinhalb Jahrzehnte zufrieden und man berichtet, daß er sich bis zuletzt bester Gesundheit und geistiger Wendigkeit erfreute.
Jascha Heifetz war einer der meistbeschäftigten Künstler in den internationalen Schallplattenstudios und hat eine Reihe außerordentlicher Einspielungen hinterlassen - vom großen Konzertrepertoire bis zur Kammermusik.
Um zu begreifen, wer Jascha Heifetz war, genügt es, die ersten Takte des Korngold-Violinkonzerts zu hören, das der Geiger bald nach der Uraufführung auch für Schallplatte eingespielt hat, eine Aufnahme, die trotz der Mono-Technik bis heute auch insofern als maßstabsetzend gelten darf, als es gelang, den Geigenton von der satten Tiefe bis hinauf in höchste Höhen in all seiner Brillanz und Schönheit einzufangen.
Die »gewisse Kühle« in Heifetz' Spiel, von der Artur Rubinstein sprach, kommt seinen Bach-Aufnahmen nur zugute: Selbst Originalklang-Puristen werden hier nicht den kleinsten Anflug einer Romantisierung finden; und die oft aberwitzigen kontrapunktischen Schichtungen, die (etwa in den Fugen-Sätzen) zu klarer Stimmentrennung zwingen, bewältigt Heifetz ohne jedes Problem. An Klarheit und Strukturbewußtheit kommt diesen Aufnahmen bis heute keine gleich.
Von den Konzert-Aufnahmen, die Heifetz gemacht hat, wurden einige legendär, allen voran das Mendelssohn-Konzert unter Charles Munch, das in seiner Makellosigkeit gewiß auch von jener »Kühle« zeugt, die Rubinstein meinte. Gewiß bringt mancher Geiger hier mehr Wärme ins Spiel - das bleibt eine Geschmacksfrage. Einzigartig sind Heifetz' Wiedergaben von Prokofieffs g-Moll-Konzert und (unter Kussevitsky in Mono, unter Munch in Stereo) und Alexander Glasunows Konzert (unter John Barbirolli), dessen melodischer Schwung und leuchtende Farbgebung kein Geiger (und kein zweiter Dirigent - man höre Heifetz' Zweitversuch unter Walter Hendl...) ähnlich überzeugend vermitteln konnte.