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Wiener Musikerdynastie Bartolomey

Wie bei vielen prominenten Musikern der Wiener Philharmoniker lagen die Wurzeln bei den Bartolomeys in Böhmen: Franz (eigentlich: Frantisek) Bartolomey (1865 - 1920) kam 1865 in Prag zur Welt und absolvierte dort eine umfassende Ausbildung als Geiger und Pianist, vor allem aber war die Klarinette sein Instrument. Ab Oktober 1892 fungierte er als erster Klarinettist im Wiener Hofopernorchester und war damit einer der führenden Köpfe der Wiener Philharmoniker in der Ära Gustav Mahlers. Seit 1896 musizierte Bartolomey auch in der k.u.k. Hofmusikkapelle, im selben Jahr begann er an der Musik-Akademie zu unterrichten. Er gilt als Gründervater der Wiener Klarinettenschule, die über Viktor Polatschek und Leopold Wlach zu Rudolf Jettel, Alois, Viktor und Peter Schmidl, Alfred Prinz bis zu Ernst Ottensamer und dessen Söhnen reicht.

Bartolomey war auch gesuchter Kammermusiker und musizierte mit allen bedeutenden Wiener Ensembles, vor allem den philharmonischen Streichquartetten, geführt von Rosé, Hellmesberger und Fitzner. Außerdem in den letzten Lebensjahren von Johann Strauß auch in dessen legendärer Kapelle.

Franz Bartolomey II & III

Auch Franz Bartolomey junior (1911 - 1988) wurde Mitglied der Philharmoniker, wo er auch im Vorstand tätig war. Er begründete die Streicher-Tradition in der Familie und musizierte unter anderem auch im Streichquartett des legendären Konzertmeisters Willi Boskovsky. Seine Söhne Ernst (Geiger, 1943-1997) und Franz III. (* 1946) wurden ebenfalls Philharmoniker. Franz Bartolomey war von 1973 an Solocellist des Orchesters und Gründungsmitglied des von Konzertmeister Rainer Küchl geführten Küchl-Quartetts. Franz Bartolomey wurde von bedeutenden Dirigenten immer wieder auch als Solist engagiert. Die Aufnahme von Richard Strauss' Don Quixote mit den Wiener Philharmonikern unter André Previn, mit dem ihn eine Künstlerfreundschaft verband, gehört zu den Wiener Aufnahme-Legenden.

Franz Bartolomeys Sohn Matthias (* 1985) wurde ebenfalls Cellist, machte aber keine Orchester-Karriere, sondern brilliert als Solist und Kammermusiker auch in stilistischen Grenzbereichen - etwa im → Duo mit Klemens Bittmann. Matthias Bartolomey hat mit dem Pianisten Clemens Zeilinger nach intensiver Vorbereitungsarbeit mit dem Komponisten eine bemerkenswerte Aufnahme von André Previns anspruchsvoller Cellosonate vorgelegt.


Der längstdienende Solocellist

2012 wurde Franz Bartolomey anläßlich seines Ausscheidens aus dem Orchesterdienst in der Staatsoper ausgezeichnet.

Die Würdigung vom 2. Juli 2012 in der Presse
Altkanzler Wolfgang Schüssel, selbst Hobbycellist, ließ es sich nicht nehmen, dem großen Profi-„Kollegen“ zu gratulieren, Wegbegleiter von Heinz Zednik bis Michael Heltau und Peter Simonischek kamen; und sogar Ex-Staatsopernchef Ioan Holender posierte für ein Foto an der Seite seiner Nachfolger Dominique Meyer und Franz Welser-Möst: Man spielte Verdis „Don Carlos“ in der italienischen Version – also kam auch der Solocellist zu Wort bzw. „zu Ton“. Franz Bartolomey zum letzten Mal in seiner offiziellen Dienstzeit als Mitglied des Staatsopernorchesters–und er „sang“ ein Duett mit dem intensiven König Philipp von René Pape.

Und einmal noch hörte man, was es bedeutet, wenn ein Musiker ein Werk in- und auswendig kennt, wenn er weiß, was der Bassist zwei Minuten später singen wird und daher sein Instrumentalsolo ganz belkantesk und dem Sinn der später gesungenen Worte entsprechend zu modellieren versteht. Musizieren in der Oper, als Teil des großen, herrlichen, mysteriösen Musiktheaterkosmos – davon hatte „Bartolo“ schon als Kind geträumt.

Humperdincks „Hänsel und Gretel“ hatte in ihm die Theaterleidenschaft geweckt, das häusliche Musizieren die Freude am Cellospielen. Das wollte er vereinen. Und als Sohn und Enkelsohn von Mitgliedern des Hof bzw. Staatsopernorchesters wusste er auch, wo er diesen Traum wahrmachen wollte. Im Orchestergraben des Hauses am Ring.

Es gelang – nach manchen solistischen Erfolgen sogar bei den bedeutendsten Wettbewerben von der Budapester Casals-Competition bis zum Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb.

Und so kam es, dass nach dem Klarinettisten Frantisek und Franz, dem Geiger, Franz III. philharmonischer Cellist wurde – und sich nun als letzter Vertreter der Wiener Streicherschule vom ersten Pult verabschiedet. Diese „Wiener Schule“, die der Großvater auf Bläserseite entscheidend mitgeformt hat – sämtliche Klarinettisten der Philharmoniker anno 2012 sind Enkelschüler von Großvater Bartolomey –, sieht Franz III. nun gefährdet; wie er auch skeptisch auf die Einstellung junger Kollegen blickt, die das Musizieren in der Oper nicht mehr als Haupttätigkeit empfinden.

Da geht eine Ära zu Ende – Franz Bartolomey will in einem Buch, das im August erscheinen wird, darüber ausführlich erzählen: 120 Jahre Bartolomey an der Wiener Oper – da kommt manch Erinnerungswürdiges (und auch politisch Brisantes) zusammen.

Am 29. Juni aber wurde gefeiert: Bundestheaterhüter Georg Springer steckte Franz III. den Ehrenring der Staatsoper an: Man weiß schon, was man an ihm hatte. Und hofft auf ein Wiedersehen, sozusagen „auf freiwilliger Basis“ – doch mangelt es dem Erzmusikanten nicht an Angeboten: von Rattle aus Berlin, von Thielemann aus Dresden. Fad wird ihm nicht werden . . .





DA CAPO