Franz Schalk
1863 - 1931
Franz Schalk war einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Generation, hörbar ein Altersgenosse von Richard Strauss (Jg. 1864) und Gustav Mahler (1860), die zwar höchst unterschiedliche Positionen vertraten, aber denen ein analytisch klarer Zugang zu den Partituren und in der Regel straffe Tempi eigen waren. Vom durchaus pathetischen Grundton der folgenden Generation um Wilhelm Furtwängler oder Hans Knappertsbusch war auch Schalk weit entfernt. Mahler machte ihn nach Stationen in Böhmen, vor allem im Prager Deutschen Theater, und Graz zum ERsten Kapellmeister der Wiener Hofoper. Diese Position behielt Schalk, der von 1919 bis 1924 das Haus Seite an Seite mit Richard Strauss als Direktor führte, bis zu seinem Tod, 1931.Schalks Nachruhm ist überschattet durch die zum Teil entstellende Darstellung seiner Leistungen um die Durchsetzung der Musik seines Lehrers Anton Bruckner. Franz und sein Bruder Josef Sachalk haben tatsächlich relativ stark - arrangierend und kürzend - in Bruckners Partituren eingegriffen, doch hat Franz Schalk als Dirigent unschätzbare Verdienste um die Brucknersche Musik, auch wenn spätere Generationen einen Notentext bevorzugten, der näher an Brucknes originalen Notationen liegt.
Als Opernchef und im Konzertsaal hat Schalk auch viel zeitgenössische Musik dirigiert, für Erich Wolfgang Korngold setzte er sich ebenso ein wie für Franz Schmidt, von dem er die Symphonien Nr. 2 und 3 uraufgeführt hat und dessen Oper Notre Dame er an der Wiener Oper 18 Mal diririgerte. Die Statistik nennt im übrigen allein 96 Vorstellungen von Wagners Meistersingern von Nürnberg und 83 von Strauss' Rosenkavalier.
Als Wagner-Dirigent hat sich Schalk auch in London und New York einen Namen gemacht, als Mozart- und Beethoven-Interpret war er an der Seite von Strauss der führende Mann in den ersten Jahren der Salzburger Festspiele.
Die wenigen Dokumente von Schalks Dirigierkunst gehören zu den unschätzbaren Dokumenten einer interpretatorischen Tradition durch einen Zeitzeugen des ausgehenden XIX. Jahrhunderts. Sie halten Wiedergaben von Beethoven- und Schubertsymphonien fest, die jedenfalls in sich geschlossen Interpretationen darstellen, deren grundsätzlicher Wert gewiß durch den Wandel ästhetischer Vorstellungen nicht geschmälert wird.
Was die Ausleuchtung der Tiefgründigkeiten von Schuberts Unvollendeter betrifft, blieb Franz Schalks Darstellung, eine der frühesten Grammophon-Aufnahmen des Werks, eine der schlüssigsten: Franz Schalk ging im Schubert-Jahr 1928 in Berlin ins Plattenstudio, um die h-Moll-Symphonie aufzunehmen: Da wird mit einer Dringlichkeit und hie und da mit einer dramatischen Attacke musiziert, die später nicht mehr oft erreicht wurden. Vor allem ist diese Aufnahme eine Studie in Phrasierungskunst, über die Taktstriche hinweg gesungenen melodischen Linien und einer gesanglichen Ausleuchtung auch der Mittelstimmen - selbst die notgedrungen höchst mangelhafte Tontechnik kann die eminenten interpretatorischen Qualitäten nicht ganz nivellieren. Die Aufnahme entstand, notabene, ziemlich genau auf halbem Wege zwischen unserer Zeit und der Lebenszeit des Komponisten . . .