Willem van Otterloo

1907 - 1978

Jan William van Otterloo war der Sohn eines Eisenbahningenieurs aus Winterswijk in Holland und studierte Violoncello und Komposition am Konservatorium von Amsterdam. Als Komponist schuf er Symphonien, mehrere Orchester-Suiten und Kammermusik, viel gespielt wurde seine Orchestrierung von Schuberts Fantasie in f-Moll (D 940).

Es war die Uraufführung einer preisgekrönten Eigenkomposition, die ihn das erste Mal ans Dirigentenpult des Concertgebouw Orchesters treten ließ. Während seiner Zeit als Dirigier-Assistent beim Symphonieorchester von Utrecht war er noch als Cellist im Orchester tätig, dessen künstlerische Leitung er dann 1937 übernahm.

1949 übernahm er die Leitung des Residenzorchesters Den Haag. Dort prägte er das städtische Musikleben für ein Vierteljahrhundert. Nach etlichen Gastspielen und Konzertreisen mit dem Symphonieorchester von Melbourne übersiedelte Otterloo dann 1973 ganz nach Australien, nachdem er zum Chefdirigenten des Sydney Symphony Orchestra gekürt worden war. Parallel dazu führte er ab 1974 auch die Düsseldorfer Symphoniker. Er erlag 1978 den Folgen eines Autounfalls.

Aufnahmen

Otterloos Interpretationen zeichnen sich durch besondere Akkuratesse in rhythmischen und agogischen Fragen aus. Seine Einspielung von Beethovens Fünfter Symphonie mit den Wiener Symphonikern ist eine der genauesten, feinst geschliffenen unter den unzähligen Darstellungen dieser Partitur, dabei mutet sie dank des Verzichts auf jegliche oktroyierte Theatergeste und in ihrem rigorosen Tempokonzept erstaunlich modern. Doch behält Otterloo kleine, tradierte Instrumentations-Retuschen wie den Einsatz der Hörner beim Eintritt der Reprise des Seitenthemas im ersten Satz bei.

Die Präzision und Transparenz der Aufnahmen dieses Dirigenten bedingt hie und da den Eindruck einer gewissen Kühle und Distanz, doch der Schein trügt: Die stets aus der Musik heraus geborene, nie vom Dirigenten aufgepropfte musikalische Dramatik verdichtet sich oft brisant. Steigerungen werden mit strategischem Vorausblick aufgebaut: So wölbt sich über die zweimalige Präsentation des Hauptthemas im Kopfsatz von Beethovens Neunter Symphonie ein Bogen, der nicht schon in den ersten Takten einen nicht mehr zu steigernde Höhepunkt erreicht. Im Finale von Brahms' Erster Symphonie hört man die synkopierten Akkordschläge, die so oft etwas approximativ überspielt werden, bewundernswert punktgenau, für die retardierenden Passagen nimmt sich Otterloo im übrigen Zeit zum Atmen, doch lodert ein feuriger Geist durchwegs und treibt das Geschehen pulsierend voran.

Als Begleiter bedeutender Solisten hat Otterloo Aufnahmen mit Größen wie Johanna Martzy gemacht: Der Livemitschnitt einer Aufführung von Mozarts G-Dur-Violinkonzert ist eine klar konturierte, geschliffene Klassiker-Interpretation, mit Witz, aber von höchster Kultiviertheit.
 

Otterloo hat stets nicht nur das klassische Repertoire gepflegt, sondern sich für Raritäten und Novitäten interessiert. Vor allem die niederländischen (und später die australischen) Zeitgenossen, allen voran der produktive Henk Badings, verdanken ihm etliche Schallplatten-Einspielungen ihrer Werke.





DA CAPO