☰ 

Jewgeni Mrawinsky

1903 - 1988

Geboren in Sankt Petersburg studierte Jewgeni Mrawinsky in seiner Heimatstadt, als sie nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs Petrograd genannt wurde, und zwar zunächst Naturwissenschaften. Erst der Tod des Vaters ermöglichte es dem jungen Mann, seiner eigentlichen Leidenschaft nachzugehen und Musik zu studieren. Am Konservatorium der dann schon Leningrad genannten Stadt insribierte er sich für Komposition, Musikwissenschaft und Dirigieren (bei Malko und Gauk). Sein Geld verdiente er sich als Korrepetitor für Ballett, eine der besten Schulen für rhythmische Genauigkeit, die sich denken lassen.

Ab 1931 dirigierte Mrawinsky auch Vorstellungen am früheren Marinkkij-Theater, das bald Kirov-Theater hieß.

Der Sieg bei einem Dirigentenwettbewerb machte Mrawinsky dann zum Chefdirigenten der Leningrader Philharmoniker. Er sollte diese Position bis zu seinem Lebensende behalten und stand damit ein halbes Jahrhundert an der Spitze dieses Ensembles, das er zu absoluter Weltklasse führte. Probiert hat Mrawinsky bis zuletzt unermüdlich, unerbittlich und mit feinstem Gehör begabt: Noch die 100. Aufführung ein und derselben Symphonie wurde mit demselben Aufwand vorbereitet wie eine Uraufführung. Die fabelhafte Qualität der Leningrader demonstrierten auch zahlreiche Gastspiele im Westen, die stets zu Festen höchster orchestraler Disziplin und leidenschaftlicher Klangentfaltung wurden; nicht zuletzt, wenn es um russisches Repertoire ging.

Für die zeitgenössischen Komponisten seines Landes wurde Mrawinsky der ideale Interpret - falls er sich dazu entschließen konnte, ihre Werke aufzuführen. Mrawinsky war höchst wählerisch und akzeptierte auch von anerkannten Komponisten nicht jede Partitur. Mit Dmitri Schostakowitsch, dessen bedeutendste Uraufführungen er betreut hatte, kam es zu Zeiten auch zu einem Zerwürfnis. Mrawinsky hat nicht alle Schostakowitsch-Symphonien in sein Repertoire augenommen - und das nicht nur aus politischen Gründen, wie manche Kommentatoren mutmaßen. Hin und wieder war Schostakowitsch ja unter heftigen Druck der komunnistischen Partei geraten, während Mrawinsky sich nie politisch geäußert hat.

Neben den musikhistorisch wertvollen Dokumenten von Mrawinskys Schostakowitsch-Interpretationen stehen einige Tschaikowsky-Aufnahmen - vor allem die teils in London, teils in Wien entstandenen Einspielungen der Symphonien Nr. 4 bis 6 für de Deutsche Grammophon Gesellschaft - von singulärem Rang: Sie sind in ihrer Klangschönheit und Dramatik nie auch nur annähernd erreicht worden.

↑DA CAPO