Dimitri Mitropoulos
1896 - 1960
Er war ein Dirigent, der die leidenschaftlichsten Aufführungen auf dem Konzertpodium - aber auch im Opernhaus - realisieren konnte. Seine Wirkung auf die Musiker war ungemein suggestiv, sein Gedächtnis legendär: Wenn Mitropoulos während einer Probe kurz nachdachte, witzelten die Musiker: Jetzt blättert er um. Der Maestro hatte ein photographisches Gedächtnis und konnte Partituren im Nu auswendig lernen, um aus dem Stegreif die Probenziffern anzusagen und jede beliebige Stimme zu korrigieren.
An der Wiege seines Künstlertums standen zwei bedeutende Vorbilder: Ferruccio Busoni gehört zu den Lehrern des aus Athen stammenden jungen Pianisten an der Berliner Musik-Akademie, Erich Kleiber war sein Mentor, bei dem er an der Lindenoper assistieren durfte.
Mitropoulos' in der Jugend schon von Camille Saint-Saens erkannte pianistische Fähigkeiten waren nicht minder erstaunlich wie seine magische Wirkung auf die Orchesterspieler: Mit den Berliner Philharmonikern wagte er 1930 die Aufführung von Prokofieffs neuem Drittem Klavierkonzert und dirigierte vom Flügel aus - angesichts der virtuosen Anforderungen des Soloparts eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch der Husarenritt gelang - Mitropoulos hat ihn mit ähnlich anspruchsvollem Klavierrepertoire in seinen amerikanischen Jahren noch einige Male wiederholt. Das Label Pristine brachte einen akustisch exzellent restaurierten → Mitschnitt aus Philadelphia in den Handel.
Jahre in den USA
Ab 1936 arbeitete Dimitri Mitropoulos konsequent mit dem Boston Symphony Orchestra, wurde 1937 Chefdirigent in Minneapolis und übernahm 1951 von Bruno Walter die Leitung der New Yorker Philharmoniker. Intrigen, die mit Mitropoulos' damals streng geheim gehaltenen privaten Vorlieben zu tun hatten, zwangen ihn zum Rücktritt von dieser Position. Doch dirigierte er bis zu seinem Tod regelmäßig an der Metropolitan Opera. Herbert von Karajan holte ihn auch an die Wiener Staatsoper, wo er umjubelte Premieren leitete, zuletzt eine immer wieder zur dramatischen Siedehitze gesteigerte Wiedergabe von Verdis Macht des Schicksals, deren Livemitschnitt bis heute als unerreichtes Dokument einer mitreißenden Opernaufführung gilt.Die Wiener Philharmoniker engagierten Mitropoulos immer wieder für Konzerte, einige bei den Salzburger Festspielen wurden legendär - nicht zuletzt die bahnbrechende Einstudierung von Mahlers Achter Symphonie. Viele liegen, wie etliche Opernmitschnitte, auf CD vor oder sind bei Streamingdiensten abrufbar. Langweilig ist keine Aufführung unter Mitropoulos offenbar je gewesen, hie und da stellt der Dirigent spürbar die Präzsion zugunsten des spontanen Ausdrucksstrebens zurück. Doch das hat noch keinen Musikfreund je gestört.
Werke wie Mendelssohns Schottische Symphonie oder Franz Schmidts Zweite, von Musikfreunden zuvor eher geringschätzig behandelt, feierten unter seinen Händen eine regelrechte Auferstehung.
Auch zeitgenössische Musik dirigierte Mitropoulos mit Hingabe. Arnold Schönbergs haariges Violinkonzert gehörte ebenso zu seinem Repertoire wie Prokofieffs Fünfte Symphonie und manch amerikanische Novität, die er als Chefdirigent uraufführen mußte und dann teils auch für Schallplatte im Studio realisierte.
Zu den besonders hörenswerten Opernmitschnitten unter seiner Leitung gehört die Salzburger Festspielproduktion von Mozarts Don Giovanni, aufgezeichnet bei den Salzburger Festspielen im Mozart-Jahr 1956 mit einer luxuriösen Besetzung, angeführt von Cesare Siepi, Lisa Della Casa und Elisabeth Grümmer.