Selmar Meyrowitz

1875 - 1941

Einer der führenden Berliner Dirigenten in der Ära Erich Kleibers und Otto Klemperers. Er starb im Pariser Exil.


Radierung von Michel Fingesten (1922)

Selmar (eigentlich Salomon Reinmar) Meyrowitz hatte seine grundlegende musikalische Ausbildung in Leipzig (bei Judassohn und Reinecke) absolviert, als er zu Max Bruch nach Berlin ging. In Berlin kam Meyrowitz mit Felix Mottl in Kontakt, der ihn 1897 als Assistenten zunächst ans Opernhaus von Karlsruher und dann im Jahr 1900 an die New Yorker Metropolitan Opera mitnahm. Ab 1905 war Meyrowitz dann als Kapellmeister in mehreren der führenden Opernhäuser des Kontinents tätig. In Prag, Berlin, München und Hamburg erwies er sich bis Ende des Ersten Weltkriegs als Interpret, der für hochexplosive Dramatik garantierte. Von 1918 und 1923 dirigierte er die Berliner Philharmoniker, leitete in der Pionierzeit des Rundfunks viel beachtete Radio-Konzerte und wurde 1924 Erich Kleiber und George Szell zum Kapellmeister der Berliner Staatsoper. Er war der Uraufführungsdirigent von Werken wie Ermanno Wolf Ferraris Schmuck der Madonna und Hans Pfitzners Eichendorff-Kantate Von deutscher Seele.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Meyrowitz nach Paris. Unter anderem dirigierte er in seiner Wahlheimatstadt im Jahr 1937 die erste französische Einstudierung von Brecht/Weills Dreigroschenoper.

Meyrowitz hat in seinen Berliner Jahren etliche Schellack-Aufnahmen von Ouvertüren und kürzeren symphonischen Werken gemacht. Eine Pioniertat war die erste Einspielung von Franz Liszts Faust-Symphonie, die in ihrer stürmischen Lesart ihrem Alter zum Trotz eine der besten geblieben ist und auf dem Label Pristine, liebevoll restauriert, wieder greifbar ist. Für die auch in ruhigen Passagen dieser Musik geforderte sanfte Ekstase hatte dieser Dirigent offenbar eine besonders sichere Hand.

Meyrowitz war einer jener Dirigenten, die am legendären, von Willem Mengelberg arrangierten ersten Gustav-Mahler-Festival von 1920 mitwirkten. Hörenswert sind auch seine Aufnahmen von Franz Schuberts Unvollendeter und drei Werken von Franz Liszt für Klavier und Orchester mit Edward Kilenyi: Ungarische Fantasie, Totentanz und das Orchesterarrangement von Schuberts Wanderer-Fantasie.




↑DA CAPO